Am 12. November drehte sich beim Berliner Pub Talk alles um das Thema Karriere und queer. Aus der Praxis berichtete Stuart Cameron, Gründer der Karrieremesse STICKS & STONES. Den politischen Part übernahm Anja Kofbinger MdA, Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik. Kooperationspartner war die Internationale Gesellschaft für Diversity Management (idm). Moderiert hat Barbara Bosch.
Diversity / queer – was ist das?
Diversity lässt sich ganz einfach mit Vielfalt übersetzen. Dennoch hat sich der englische Begriff durchgesetzt, wenn von Vielfalt in Unternehmen, Verwaltung und Organisationen die Rede ist. Dahinter steckt der Anspruch, dass Menschen unterschiedlichen Geschlechts, sexueller Orientierung, Ethnie, Religion, Alters und weiterer Unterscheidungsmerkmale gleiche Berufs- und Teilhabechancen genießen. Damit soll Diskriminierung am Arbeitsplatz unterbunden werden. Queer oder auch LGBTI deckt aus diesem Spektrum die sexuelle Orientierung und Identität ab und steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intersexuelle Menschen.
Diskriminierung
Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz immer noch häufig vorkommt. Erfahrungsberichte aus dem Publikum stützten diese Untersuchungen. Auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) besteht die Möglichkeit, gegen Diskriminierung zu klagen. Es ist aber auch möglich, selber Zeichen für mehr Offenheit und Vielfalt zu setzen, zum Beispiel durch die Teilnehme an der Karrieremesse Sticks and Stones.
STICKS & STONES
Cameron schilderte am Beispiel der Karrieremesse, wie das Thema Karriere und queer in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat. Anfangs war die Messe eine Veranstaltung für schwule Männer. Im Laufe der Zeit seien immer weitere Zielgruppen hinzugekommen. Er habe auch selber gelernt, wie Vielfalt / Diversity funktioniert. Es sei zum Beispiel nicht verwunderlich, dass eine Messe für lesbische Frauen nicht interessant ist, wenn keine einzige Frau als Referentin auftaucht. Das hat sich geändert. Heute halten sich Referenten und Referentinnen die Waage und neben Weißen seien auch „People of Color“ als Speaker dabei.
Gleiches gelte für die Unternehmen. Die Messe sei mit acht Unternehmen gestartet. Jetzt sind knapp 100 Unternehmen an Bord, von Axel Springer bis Siemens aber auch Start-ups wie SoundCloud. Einige Unternehmen hätten auch abgewiesen werden müssen, weil sie außerhalb der Messe keinerlei Engagement für das Thema an den Tag gelegt hätten. Engagement sei wichtig, zum Beispiel im Rahmen eines Bekenntnisses in der Unternehmensphilosophie gegen Diskriminierung oder mit eigenen Netzwerken. Allerdings dürfe man die Schranken für kleine Unternehmen nicht zu hoch ansetzen. Kofbinger und Cameron erklärten, dass es besonders wichtig sei, dass sich bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik zu ihrer sexuellen Orientierung und Identität bekennen. Vorbilder seien wichtig.
Diversity – geht auch gemeinsam
Kofbinger wies darauf hin, dass in einigen Institutionen die unterschiedlichen Gruppen vorrangig ihre eigenen Interessen verfolgen. Wenn zum Beispiel der Behindertenbeauftragte gegen die Frauenbeauftragten arbeite, sei es kaum möglich, gleiche Chancen für alle zu organisieren. Eine Lösungsmöglichkeit wäre, eine übergeordnete Position zu schaffen. Cameron ergänzte, dass er dieses Gegeneinander auch sehr gut kenne, zum Beispiel von Schwulen und Lesben. Er selber hätte diese Gegensätze aber längst überwunden. Allerdings würde er oft beobachten, dass die Gruppen am meisten bekämen, die am lautesten schreien.
Trans*
Jennifer Michelle Rath (Sprecher_in der Bundesarbeitsgemeinschaft queer in der Partei DIE LINKE) wies darauf hin, dass es Menschen mit einem transgeschlechtlichen Hintergrund besonders schwer hätten. Das gelte nicht nur für Diskriminierung im öffentlichen Raum, sondern auch am Arbeitsplatz. Viele Transgeschlechtliche verlieren während ihrer Transition den Arbeitsplatz. Oftmals würden sie als Betriebsrisiko empfunden, weil es im Unternehmen an Akzeptanz fehle. Darum seien betriebsbedingte Kündigungen als Konsequenz keine Seltenheit. Die Verwendung einer geschlechterneutralen Sprache, auch bei Berufsbezeichnungen, würde die bestehende Transphobie und Interphobie reduzieren und einen wichtigen Beitrag für eine verantwortungsvolle Antidiskriminierungsarbeit leisten, erklärte Rath.
Was tun?
Kofbinger schilderte, worin ihr politischer Spielraum besteht. Das sei ganz konkret die Haushaltspolitik. Hier sei es wichtig, Projekte für mehr Vielfalt auch weiterhin zu fördern. Oft gebe es hier erheblichen Widerstand. Hinzu käme natürliche ihr persönlicher Einsatz als Abgeordnete. Als veröffentlichte Listen zur Sprache kamen, auf denen sich berühmte Persönlichkeiten als schwul, lesbisch oder trans* outen, wurde seitens des Publikums kritisiert, warum sich queere Menschen outen müssten. Sinnvoll sei es auch, eine Liste zu veröffentlichen, auf der sich Heterosexuelle als LGBTI-friendly outen. Cameron forderte eine Abkehr von der Opferhaltung. Dafür sei Selbstbewusstsein besonders wichtig. Unternehmen müssen ihren eigenen Weg finden, mit dem Thema umzugehen. Das können zum Beispiel eigene Netzwerke sein oder auch die selbstverständliche Ausrichtung von Veranstaltungen, ohne groß angelegtes pinkwashing.
Text: Matthias Bannas und Barbara Bosch
Internationale Gesellschaft für Diversity Management (idm)
Der Fachverband idm (Internationale Gesellschaft für Diversity Management) ist ein bundesweites Netzwerk und eine Plattform für Diversity Management, in der sich Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Beratung austauschen und vernetzen. idm hat zum Ziel, das Bewusstsein für Diversity zu schärfen und Kompetenzen zu vermitteln. Dafür fördert idm Diversity Management mit der Entwicklung von Konzepten, Methoden und Ausbildungsmöglichkeiten. idm organisiert Veranstaltungen und macht Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich.
Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer