Das Thema Flüchtlinge beschäftigte die Teilnehmer des Berliner Pub Talks am 22. Oktober. Harald Löhlein, Abteilungsleiter Internationale Kooperation, Flüchtlinge und Migrationssozialarbeit bei „Der Paritätische Gesamtverband“ und Klaus Mindrup SPD-MdB, Bundestagsabgeordneter für Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee stellten sich der Diskussion mit dem Publikum. Eva Hieninger hat die Veranstaltung moderiert.

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In der Diskussion über Flüchtlinge, von links: Klaus Mindrup SPD-MdB, Moderatorin Eva Hieninger, Harald Löhlein (Der Paritätische Gesamtverband)

Politik- oder Verwaltungsversagen?

Von den Zuständen in der Berliner Erstaufnahmeeinrichtung Lageso, über die Probleme bei der medizinischen Versorgung bis zur Aussetzung der Grenzkontrollen entsteht der Eindruck chaotischer Zustände. Wer trägt dafür die Verantwortung? Haben es die Regierungen im Bund und in den Ländern versäumt, rechtzeitig die Weichen zu stellen oder versagt die Verwaltung? Gibt es überhaupt einen Plan, wie Unterbringung und Integration gelingen kann? Mindrup machte deutlich, dass bereits seit letztem Jahr viele Abgeordnete, die in den Flüchtlingslagern im Libanon vor Ort gewesen sind, vor einer Zuspitzung der Situation in Deutschland gewarnt hätten. Mit dem Gesetzespaket zum Asylrecht habe die Bundesregierung gehandelt.  Löhlein erklärte, dass sich die Verwaltung oft schwer tun würde. Eine gute Idee sei die Registrierung von Flüchtlingen direkt in den Aufnahmeeinrichtungen. Nur hätten die zuständigen Mitarbeiter offensichtlich keine Laptops, die mit der IT-Infrastruktur in der Verwaltung kompatibel sind. Das habe zur Folge, dass die Daten per Hand erneut eingegeben werden müssen. Hinzu käme, dass die Kommunen oft die Rechnungen der Träger von Unterkünften zu spät begleichen würden. Damit geraten die Träger unter wirtschaftlichen Druck.

Gesetzespaket zum Asylrecht

In einem Gesetzespaket zur Asylpolitik hat die Bundesregierung Maßnahmen zur besseren Integration und zur finanziellen Unterstützung der Bundesländer beschlossen. Zum Paket gehören aber auch restriktive Maßnahmen wie die Festlegung sicherer Herkunftsländer und die längere Verweildauer für Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen. Löhlein kritisierte die Restriktionen. Auch wenn jemand aus einem sicheren Herkunftsland kommt, kann er ein Recht auf Asyl haben. Das werde aber erst einmal grundsätzlich in Abrede gestellt. Die längere Verweildauer stehe im Widerspruch zum Ziel der Integration. Die Bundesregierung widerhole hiermit die Fehler aus der Asylpolitik der 90er-Jahre. Mindrup verteidigte das Gesetzespaket. Es sei sinnvoll, die Asylbewerber mit guten Bleibeperspektiven besser zu fördern. Es müsse aber auch klar sein, dass Asylbewerber die nicht politisch verfolgt werden, nicht in Deutschland bleiben können.

Unterbringung und Wohnungsmangel

Die Unterbringung der Flüchtlinge stellt alle Städte und Kommunen vor große Herausforderungen. Besonders schwierig wird es dort, wo der Wohnungsmarkt bereits heute stark unter Druck steht, wie in Berlin. Mindrup schilderte die Entwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Der soziale Wohnungsbau sei vernachlässigt worden. Der Berliner Senat sei lange von einer Schrumpfung der Stadt ausgegangen. Das habe sich aber bereits vor einigen Jahren als Trugschluss herausgestellt. Berlin wachse, und damit verschärfe sich der Wohnungsmangel immer mehr, unabhängig von den Flüchtlingen. Diese würde es auch besonders stark in Regionen ziehen, wo die Chancen auf Arbeit gut sind. Dort sei aber in der Regel auch der Wohnraum knapp. Darum sei es erforderlich, dass Baurecht grundlegend zu reformieren, um moderne Kompaktbauverfahren anwenden zu können, für die es im Ausland zahlreiche Beispiele gebe. In Berlin bestehe das Problem, dass Neubau immer auf Widerstand stoße. Andrea Tschammer warnte davor, die Fehler der Vergangenheit zu widerholen und auf große Neubauprojekte für Flüchtlinge zu setzen, ohne eine Durchmischung mit anderen Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten. Das werde gerade in Hamburg in die Tat umgesetzt. Mindrup antwortete, dass die Mischung eine besonders wichtige Rolle spiele.

Löhlein ergänzte, dass die großen Aufnahmeeinrichtungen die gerade entstünden, falsche Anreize setzen würden. Es sei für die Kommunen unwirtschaftlich, diese Einrichtungen nicht auszulasten. Dadurch hätten sie kein Interesse die Flüchtlinge mittelfristig in kleineren und dezentraleren Einrichtungen unterzubringen. Das wäre für die Integration aber viel besser.

Bürgerschaftliches Engagement

Vielfach war in den Medien die Rede davon, dass ehrenamtliche Helfer an ihrer Belastungsgrenze angekommen seien. Das konnte Löhlein nicht bestätigen. Er habe solche Stimmungen aus den Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Gesamtverbandes nicht vernommen. Die ehrenamtlichen Helfer seien immer noch sehr engagiert. Allerdings sei die Belastung für das Hauptamt sehr groß.

Wie geht es weiter?

Löhlein befürchtet, dass das Gesetzespaket der Bundesregierung zum Asylrecht nur ein Zwischenschritt zu einer Politik der Abschottung darstellt. Mindrup blickt optimistisch in die Zukunft und geht davon aus, dass Deutschland deutlich bunter wird.

Text: Matthias Bannas und Eva Hieninger

 

Impressionen der Veranstaltung – alle Fotos von Andrea Tschammer

 

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