Selbstvertrauen als Schlüssel
Beim Berliner Pub Talk diskutieren Experten über Gründerinnen in der Start-up-Szene
In der Start-up-Szene duze man sich, stellt Moderator Pascal Heymann zu Beginn des Berliner Pub Talks, diesmal zu Gast in der Dunhill Lounge beim Netzwerk »sitzungswoche« , klar. »Nur, dass ihr euch nicht wundert, dass es etwas lockerer zugeht, als man es sonst von Pub Talks gewohnt ist.«
Eine weitere Charakteristik der Szene: Sie ist männlich geprägt. Nicht einmal 15 Prozent der Start-ups werde von Frauen gegründet, erklärt Pascal Heymann. Grund genug, darüber zu diskutieren, woran das liegt und wie man das ändern kann.
Janina Mütze hat ihr erstes Unternehmen mit 23 Jahren gegründet. Sie ist Co-Founder & COO des Start-ups Civey, das seit 2015 repräsentative Umfragen im Internet anbietet. Sie plädiert dafür, auf verschiedenen Ebenen anzusetzen, um das Problem zu lösen.
Philipp von Roeder, Gründer und Inhaber von VONROEDER COMMUNICATIONS, hat schon mehrere Start-ups gelauncht. Der zweite Gast des Abends unterstreicht, dass es wichtig sei, Töchtern bereits im Kindesalter Neugier für Technologie mitzugeben. Anstatt Mädchen zu Prinzessinnen zu erziehen, solle man ihnen auch mal einen Bagger zeigen – so, wie man das bei Jungen ganz selbstverständlich tue.
Der Abend zeigt auch: Gründung ist nicht gleich Gründung. Allgemein sage man, dass vier von zehn Gründungen weiblich seien, sagt Janina Mütze. Auch diese Zahl stimme. Im Bereich der Einzelunternehmen gebe es viele Frauen. Was aber ist der Unterschied? »Start-ups sind innovativ, digital und auf Wachstum ausgelegt«, erklärt die Unternehmerin. Start-ups hätten ein überdurchschnittliches Potenzial zu wachsen. Darum seien sie für Investoren besonders interessant. Auch wenn nur jede zehnte Investition in ein Start-up erfolgreich sei, sei das ein gutes Geschäft, wenn der Wert der Beteiligung sich verhundertfache, erklärt Pub-Talk-Organisator Matthias Bannas.
Janina Mütze unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung von Start-ups. Diese bestimmten, wie Menschen leben und interagieren – angefangen bei Facebook. »Ich habe kein Interesse daran, dass das nur von Männern gesteuert wird«, betont sie.
Philipp von Roeder erhofft sich, dass durch mehr weibliche Gründungen auch die Vielfalt an Ideen in der Start-up-Szene größer werde. Gerade bei Männern gäbe es einige, die vor allem gründen, um einfach mal zu gründen. Tatsächlich würde er sich wünschen, dass manche dieser »Wantrepreneure« vorher einmal mehr darüber nachdächten, ob es ihr Unternehmen wirklich brauche. Bei Frauen hingegen habe er das Gefühl, dass sie manchmal zu vorsichtig sind.
Der Hang zum Selbstzweifel wird zu einem Kernthema der Debatte, in die sich Zuschauer und Zuschauerinnen einmischen können, indem sie selbst auf einem der beiden freien Stühle auf dem Podium Platz nehmen. Eine Dozentin im Bereich Medien- und Kommunikationsmanagement berichtet von ihrer zunehmenden Verzweiflung darüber, dass ihre Studentinnen meist viel zurückhaltender seien. «Fachlich sind die Frauen immer besser, aber sie merken es nicht.« Ihrer Erfahrung nach nehme diese Tendenz sogar zu. »Selbstvertrauen, das ist der Schlüssel zu allem«, betont sie.
Dieses Selbstvertrauen ist auch bei der Präsentation von Ideen – beispielsweise vor Investoren, wichtig. Während Philipp von Roeder Frauen ermutigt, bei scharfen Nachfragen auch mal zu übertreiben und nicht immer allzu ehrlich zu sein, verteidigt Janina Mütze die bescheidene Herangehensweise. Sie finde es manchmal albern, dass man eine Show abziehen und jeden kritischen Einwand abbügeln solle.
Wie schwierig es für Frauen sein kann, vor Investoren zu bestehen, zeigen Wortbeiträge aus dem Publikum. »Was sich Frauen manchmal ausdenken…?«, habe ein Investor ihren Gründungsvorschlag kommentiert, berichtet eine Architektin. Auch Janina Mütze erzählt von Partnern, die sie weniger ernst genommen hätten als ihren Co-Founder. Diese Kontakte hätten sie nach und nach abgebrochen.
Einen männlichen Mitgründer bei Meetings dabei zu haben, sei sicher oft von Vorteil gewesen. Generell habe sie den Eindruck, dass es für Frauen bei Treffen mit Vertretern des klassischen Mittelstands noch schwieriger sei als in der Tech-Szene. »Ich habe schon das Gefühl, dass sich unsere Blase da weiterentwickelt hat.«
Unabhängig vom Geschlecht rät Janina Mütze dazu, im Team zu gründen – am besten in einem möglichst diversen, das unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen mitbringt. Auch Philipp von Roeder unterstreicht, dass es in den arbeitsreichen ersten Jahren nach einer Unternehmensgründung ein sehr enges Verhältnis und blindes Vertrauen brauche. »Das ist intensiver als Ehe.«
Ein weiterer zentraler Punkt der zweimal 30-minütigen Diskussionsrunde ist der Ruf nach Netzwerken und gegenseitiger Unterstützung. Die mehrheitlich weiblichen Gäste machen es beim Berliner Pub Talk selbst vor, indem sie Besucherinnen zu Redebeiträgen ermutigen und diese mit einem Applaus würdigen. Es sei zu hoffen, dass es auch unter den Investoren in Zukunft mehr Frauen gebe, die weibliche Unternehmensgründungen unterstützen, betont Philipp von Roeder. Viele Investoren seien ehemalige Gründer, die ihre Unternehmen verkauft hätten und nun mit ihrem Geld arbeiten. »Wir brauchen Exits von den ersten Frauen. Reiche Frauen an die Front!«, lautet sein Appell.
Von Inga Dreyer
»Berliner Pub Talk«
Worum geht’s beim Berliner Pub Talk?
Politische Diskussionsveranstaltungen kranken häufig an kleinteiligen Themen, großen Podien, langer Dauer und einer mangelhaften Einbeziehung des Publikums. Im Berliner Pub Talk werden in nur 2 x 30 Minuten große Themen auf den Punkt gebracht.
Auf dem Podium sitzen neben dem Moderator zwei Experten. Zwei weitere Sitzplätze sind frei. Wer mitdiskutieren möchte, nimmt auf der Bühne Platz.
Der Berliner Pub Talk wird von Mitgliedern des Toastmaster-Clubs Berliner Redekünstler organisiert.
»sitzungswoche«
sitzungswoche ist das unabhängige Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien in Berlin.
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