Fehlender Wohnraum ist aus Sicht der deutschen Bevölkerung das derzeit größte Infrastrukturproblem im eigenen Land. Nur jeder vierte Bundesbürger (25%) bewertet die Verfügbarkeit von neuen Wohnungen in Deutschland als sehr gut. Damit schneidet Deutschland im internationalen Vergleich schlecht ab. Das geht es aus einer Befragung von Ipsos aus dem letzten Jahr hervor. Befragt wurden über 20.000 Teilnehmer in 29 Ländern. Dr. Robert Grimm (Director Ipsos Public Affairs) warnt vor dem steigenden Frust der Mieter mit ihrer Wohnungssituation in Deutschland. 

Enteignen oder vergesellschaften?

Dieser Frust zeigt sich in Berlin beim angestrebten Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Den Initiatoren ist es in kurzer Zeit gelungen, mehr als 15.000 Unterschriften zu sammeln. Dr. Jan-Marco Luczak MdB, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und direkt gewählter Abgeordneter in Tempelhof-Schöneberg, rechnet damit, dass es den Initiatoren gelingt, die erforderlichen Stimmen zu sammeln. Er lehnt die geforderten Enteignungen ab. „Die Befürworter von Enteignungen spielen mit den Ängsten der Menschen. In Wirklichkeit sind Enteignungen Scheinlösungen. Das Problem steigender Mieten wird damit nicht gelöst, aber dafür viele neue Probleme geschaffen“ so Luczak.  Ulrich Ropertz, und Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Deutscher Mieterbund e. V., betrachtet die Initiative als Appell an die politischen Entscheider. „Eine Enteignung – die ja eigentlich eine Vergesellschaftung ist – wäre dabei sicherlich das letzte Mittel. Aber auch dieses müssen wir in Betracht ziehen, wenn alles andere nicht funktioniert“, so Ropertz.

Grundsteuer

Das aktuell vorliegende Modell von Bundesminister Scholz würde zu einem Anstieg der Grundsteuerbelastung von Mietern in Städten wie Berlin führen. Luczak lehnt das Modell ab. Er fordert ein einfaches Flächenmodell. Das würde auch viel weniger Bürokratie verursachen. Beim Scholz-Vorschlag wären ein Drittel der Steuereinnahmen Bürokratiekosten. Ropertz spricht sich auch gegen das Scholz-Modell aus. Er fordert, die Grundsteuer vom Mieter auf die Eigentümer von Wohnungen zu übertragen.      

Baukindergeld

Bei der Beurteilung des Baukindergeldes waren Luczak und Ropertz erwartungsgemäß unterschiedlicher Meinung. Das Baukindergeld sorge nicht für zusätzlichen Wohnraum, kritisiert Ropertz. Der größte Anteil werde verwendet, um Bestandsimmobilien zu kaufen. So entstehe kein zusätzlicher Wohnraum. Die Steuermittel in Milliardenhöhe fehlen an anderer Stelle, zum Beispiel bei einer besseren Förderung der energetischen Sanierung. Luczak antwortet, dass der Anteil des Baukindergeldes, der in Neubau fließe, ansteige. Es sei wichtig, dass die Bürger eine Chance haben, Immobilieneigentümer zu werden. Dafür sei das Baukindergeld ein wichtiger Baustein. Gut wäre es, wenn der Berliner Senat die Grunderwerbssteuer senken würde, damit der Erwerb von Immobilieneigentum preisgünstiger wird.

Energetische Sanierung

Die energetische Sanierung von Wohnungen führt oft zu erheblichen Mietsteigerungen, die nicht durch geringere Heizkosten aufgewogen werden. Ropertz kritisiert, dass der Anteil der öffentlichen Förderung bei energetischen Sanierungen viel zu gering sei. In den meisten Fällen verzichten die Bauherren auf die Förderung, weil sie die Kosten sowieso auf die Mieter umlegen können. Dabei stehe außer Frage, dass es sinnvoll ist, bei Neubauten auf energetische Sanierung zu setzen. Das sei viel preisgünstiger, als im Altbaubestand zu sanieren. Luczak stimmt Ropertz zu. Die energetische Sanierung müsse besser gefördert werden. Eine Ausweitung des Anteils energetisch sanierter Gebäude sei unerlässlich, um das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen.

Tempelhofer Feld und Bürgerbeteiligung

„Da wo nicht klipp und klar gesagt wird, was geplant ist, stoßen Bauprojekte auf Widerstand“, macht Ropertz deutlich. Das sei auch das Problem beim Tempelhofer Feld gewesen. Luczak ist für eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Voraussetzung dafür sei eine Einigung über Parteigrenzen hinweg und eine Festlegung, was gebaut werden soll. Darüber können dann die Berliner erneut abstimmen.

Berliner Modell

„Die Quote für förderfähigen mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum beträgt 30 Prozent der Geschossfläche Wohnen.“ So sieht es das Berliner Modell vor. Luczak kritisiert, dass die Mieten für diesen Bereich so niedrig angesetzt sind, dass alle anderen Wohnungen eines Bauprojektes viel teurer vermietet werden müssen. Das hat zur Folge, dass es nur preisgünstigen und teuren Wohnraum gibt. Die Mittelschicht kann sich die Wohnungen nicht leisten.

Fazit

„Es fehlen Wohnungen für diejenigen, die kein Spitzeneinkommen haben.“ Ropertz macht noch einmal unmissverständlich deutlich, wo gehandelt werden muss. Luczak kritisiert den hohen Bestand an Bauvorschriften. Bei über 20.000 Vorschriften sei es nicht möglich preiswert zu bauen. Und es kämen immer neue Vorschriften hinzu.