Der Bundestag hat die Frauenquote beschlossen, nun muss sie sich in der Praxis bewähren. Darüber und wie berufliche Gleichstellung von Mann und Frau noch verbessert werden kann, diskutierten die SPD-Bundestagsabgeordnete und für die Frauenquote zuständige Berichterstatterin, Birgit Kömpel und der Leiter der Rechtsabteilung im Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), Dr. Heiko Willems, am 23. April beim Berliner Pub Talk. Die Veranstaltung wurde von Barbara Wagner moderiert.

 

Von links: Birgit Kömpel (MdB-SPD), Moderatorin Barbara Wagner und Dr. Heiko Willems (BDI) diskutieren mit dem Publikum über die Frauenquote – Foto Andrea Tschammer.

Von links: Birgit Kömpel (MdB-SPD), Moderatorin Barbara Wagner und Dr. Heiko Willems (BDI) diskutieren mit dem Publikum über die Frauenquote – Foto Andrea Tschammer.

Die Frauenquote

Ab 2016 gilt eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für die Besetzung der Aufsichtsräte der gut 100 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Faktisch bedeutet das, die Unternehmen müssen den Frauenanteil in den Aufsichtsräten auf 30 Prozent anheben. Gelingt das nicht, bleiben Aufsichtsratssitze unbesetzt. Die 3.500 nächstgrößeren Unternehmen werden verpflichtet, sich verbindliche Ziele für den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu setzen. Während Willems die Frauenquote ablehnte, begrüßte Kömpel sie ausdrücklich.

Die Wirtschaft sei seit 30 Jahren mit der Forderung nach einer Erhöhung des Frauenanteils konfrontiert. Vor zehn Jahren hätte sie auch eine Selbstverpflichtung unterschrieben. Seitdem sei der Frauenanteil in Aufsichtsräten aber sogar zurückgegangen (DIW 2015). Darum musste die Politik jetzt handeln, so Kömpel. Es sei wichtig, dass mehrere Frauen im Aufsichtsrat sind. Nur dann bestehe die Chance sich auch durchzusetzen. Doch über Zahlen lässt sich streiten. Willems erklärte, dass der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX30-Konzerne in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sei und durchschnittlich bei ca. 25 Prozent läge (DIW-Managerinnen-Barometer). Der Frauenanteil sei von Aufsichtsrat zu Aufsichtsrat sehr unterschiedlich. Er sei im Konsumgüterbereich höher als in der Automobilindustrie. Eine Ursache dafür sei, dass in einigen Branchen auch der Frauenanteil an der Gesamtbelegschaft sehr gering sei. Dieser läge zum Beispiel in der Automobilindustrie bei unter 20 Prozent. Dann könne der Anteil von Frauen in Führungspositionen auch nicht höher sein.

Führung neu organisieren

Für mehr Frauen in Führungspositionen sei neben der Frauenquote ein kultureller Wandel erforderlich, erklärte Kömpel. Das ginge auch in Familienunternehmen. Sie kenne etliche Beispiele aus ihrem Wahlkreis (Fulda / Vogelsberg), in denen eine Unternehmensnachfolgerin auch neue innovative Führungs- und Teilzeitkonzepte umgesetzt hätte. Willems wies darauf hin, dass vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels viele Unternehmen neue Führungsmodelle auf den Weg bringen werden. Führung in Teilzeit sei aber sehr schwierig, weil auf höheren Hierarchieebenen mehr Arbeitszeit erforderlich sei. Wenn sich zwei Personen eine Führungsposition teilen, steige der Bedarf an Abstimmung und der Bericht- und Kommunikationsaufwand stark an.

Diskriminierung versus Eigenverantwortung

Dr. Birgit Heinz und weitere Teilnehmerinnen schilderten Erfahrungen mit Diskriminierung in ihrem Berufsleben, die durch Studien belegt sind. Eigenschaften die bei Männern positiv bewertet werden, bekämen bei Frauen oft einen negativen Anstrich. Wenn Männer und Frauen ihre Gehälter verhandelten, wirkten Männer durchsetzungsstark, Frauen jedoch zickig. Sexismus inklusive anzüglicher Witze und Mobbing sei in vielen Unternehmen immer noch weit verbreitet (BMFSFJ 2004). Kömpel fügte noch ein Beispiel aus ihrer beruflichen Praxis in der Personalvermittlung hinzu. Es sei oft vorgekommen, dass sie für weibliche Führungskräfte deutlich geringere Gehaltsangebote erhalten hätte als für Männer. Dr. Julia Hentsch (BDI) entgegnete, dass grundsätzlich die gesetzlichen Grundlagen für die Gleichstellung vorlägen. Auch wenn beispielsweise in der Kinderbetreuung die Infrastruktur noch verbessert werden müsse, um für die Familien faktisch Wahlmöglichkeiten zu schaffen, seien Frauen und Männer auch selbst dafür verantwortlich, wie sie Aufgaben bei Kinderbetreuung und Haushalt aufteilen und wie gut oder schlecht sie ihre Gehälter aushandeln.

Mann und Frau – unterschiedliche Bezahlung?

Wie groß die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen wirklich sind, blieb strittig. Kömpel verwies auf den gender pay gap in Höhe von mehr als 20 Prozent. Dieser wird jedes Jahr vom statistischen Bundesamt erhoben. Diese Kennzahl berücksichtige aber weder die unterschiedliche Berufswahl und Arbeitszeiten noch weitere Faktoren, erklärte Willems. Wenn diese Faktoren einbezogen werden, schmelze der Unterschied auf drei bis sieben Prozent zusammen (Statistisches Bundesamt 2014). Andrea Tschammer ergänzte, dass auch bei Ingenieuren und Ingenieurinnen ein Gehaltsunterschied von 17 Prozent vorläge (WSI: http://www.lohnspiegel.de/main/lohnspiegel-spezial/frauenlohnspiegel). Das würde sich überhaupt nicht mit den Forderungen aus der Wirtschaft nach mehr Studienanfängerinnen in den Mint-Berufen vertragen.

Vorbilder in anderen Ländern

Gibt es andere Länder, die das besser machen mit der Gleichstellung? Obwohl die Vollbeschäftigung von Frauen in der DDR Realität war, kann das System wirklich kein Vorbild sein. Denn es herrschte Arbeitspflicht für alle Frauen und Männer. Diejenigen, die ihre kleinen Kinder länger betreuen wollten, waren erheblichen Repressalien ausgesetzt.

Wenn Beispiele für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesucht werden, wird oft auf die skandinavischen Länder verwiesen. Allerdings könnte Norwegen auch ein Beispiel dafür sein, dass eine Quote in den Aufsichtsräten nicht mit einem Anstieg von Frauen in Führungspositionen einhergeht. Seit Einführung der Quote ist die Anzahl von Frauen in Führungspositionen mit 20 Prozent sogar leicht gesunken (5. Bilanz Chancengleichheit des BMFSFJ: S. 90). Es hätte also keine Auswirkungen gehabt, so Willems. Dennoch stehe Norwegen auf Platz 3 des Global Gender Gap Index 2014, weit vor Deutschland auf Platz 12, ergänzte Wagner.

Fazit

Ob und wie die Frauenquote wirken wird, ist noch offen. Die Veranstaltung hat deutlich gezeigt, dass sowohl Frauen als auch Männer ihre berufliche Chancengleichheit als noch nicht erreicht betrachten und darum weitere Maßnahmen fordern. Konsens bestand über die Wichtigkeit und Notwendigkeit dieses Ziels.

 

Text von Matthias Bannas und Barbara Wagner / alle Fotos Andrea Tschammer

 

Impressionen der Veranstaltung

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