Wer damit beginnt, über Islamfeindlichkeit zu diskutieren, landet schnell bei der Frage, was den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ausmacht. So auch beim Berliner Pub Talk am 19. März mit Omid Nouripour MdB, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Rafet Öztürk, Referent für interkulturelle und interreligiöse Zusammenarbeit bei DITIB (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.). Alexander Schröder hat die Veranstaltung moderiert.

 

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Rafet Öztürk (DITIB) . Moderator Alexander Schröder und Omid Nouripour MdB (von links) diskutieren mit dem Publikum über Islam und Islamfeindlichkeit / Foto Andrea Tschammer

 

Was ist DITIB

Neben der Politik und den Bürgern haben die deutschen islamischen Verbände Spielraum, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken. Öztürk schilderte, was DITIB ist.  DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) stehe für knapp 900 Gemeinden und knapp 60 Prozent der in Deutschland organisierten und lebenden Muslime. Ziel sei es, Muslimen die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen. Hinzu käme eine Vielzahl an Bildungs-, Sport- und Kulturangeboten und Engagement in den Bereichen Jugend-, Senioren- und Integrationsarbeit. DITIB habe sich bereits bei seiner Gründung 1984 zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Grundgesetz bekannt.

Miteinander, Integration oder Inklusion?

Unabhängig davon, welcher Begriff am Ende verwendet wird, brachte Nouripour die Sache auf den Punkt. Zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens müsse der Gleichheitsgrundsatz gelten. Oftmals müsse dieser aber noch durchgeklagt werden. Ein aktuelles Beispiel sei das Kopftuch-Urteil. Andere aus heutiger Sicht fragwürdige Regeln wären erlassen worden, als Deutschland noch nicht multikulturell geprägt war. Es sei zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß, dass Bezirksschornsteinfeger die Staatsbürgerschaft inne haben müssen.

Öztürk wies darauf hin, dass DITIB sich sehr stark für ein besseres Miteinander in der Gesellschaft engagieren würde. Besonders wichtig sei der Dialog mit den Vertretern der anderen Glaubensrichtungen und der Zivilgesellschaft. Hinzu käme gesellschaftliches Engagement in der Jugend- und Sozialarbeit. Über Aktionen wie den Tag der offenen Moschee gelinge es, die Menschen besser über den Islam zu informieren und einen Dialog zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens herzustellen.

Islamfeindlichkeit

Islamfeindlichkeit zeige sich deutlich bei den Pegida-Demonstrationen, erklärte Öztürk. Viele Muslime nehmen diese als Bedrohung wahr. Hier tragen auch Politiker eine Mitverantwortung, die ganz bewusst am rechten Rand auf Stimmenfang gehen würden. In diesem Zusammenhang kritisierte Nouripour den Auftritt von Sigmar Gabriel in Dresden als Privatperson und seine Gespräche mit Pegida Demonstranten. Es gab drei Ereignisse, die für Muslime den Blick auf die Gesellschaft gravierend verändert haben – das Buch von Sarrazin, die NSU-Morde und Pegida – erklärte Nouripour.

Islamisten, Salafisten und ISIS

Nouripour wies darauf hin, dass der Koran – wie auch die Bibel – einen großen Spielraum für Interpretation zulasse und als Legitimation für religiös motivierten Terror herangezogen werden könne. Um Islamfeindlichkeit in Deutschland zu bekämpfen, sei es sicher nicht ausreichend den Islamismus zu bekämpfen. Aber ohne Islamismus zu bekämpfen, sei es sicherlich auch nicht möglich, Islamfeindlichkeit zu bekämpfen. Radikale Gruppen wie ISIS verstünden es, junge Männer über YouTube-Videos dort abzuholen, wo sie sich tagtäglich aufhalten. Sie lockten die Männer mit einer Fantasiewelt voller Abenteuer und hemmungsloser Gewalt. Eine besonders große Herausforderung sei der Umgang mit Islamisten, die sich ohne einen erkennbaren längeren Radikalisierungsprozess den Extremisten anschlossen hätten.

Die Radikalisierung erfolge nicht nur über YouTube-Videos sondern auch durch Islamisten wie Pierre Vogel, die sich mit ihren Statements immer haarscharf an der Grenze zur Strafbarkeit bewegen würden. Die Salafisten seien außerdem stets dort, wo auch die Jugendlichen sind; nach der Schule in der Fußgängerzone. Die islamischen Gemeinden hätten überhaupt nicht die finanziellen Mittel und auch kaum Mitarbeiter, die Jugendliche zielgruppengerecht ansprechen könnten. Öztürk forderte, den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zu stärken. Der Terror von ISIS sei durch nichts zu rechtfertigen, betonte er.

Medienschelte?

Nouripour schilderte eine Erfahrung mit der Bildzeitung. Diese habe ihn angerufen und gefragt, ob er es für eine gute Idee zur Förderung der Integration halte, wenn in christlichen Gottesdiensten auch muslimische Lieder gesungen werden. Er habe geantwortet, er würde dies nur befürworten, wenn in Moscheen auch christliche Weihnachtslieder gesungen würden. Die Bild habe daraus die Schlagzeile gemacht „Politiker fordert muslimischer Lieder in Kirchen“. Das hätte zu 500.000 Besuchen auf seiner Facebook-Seite geführt, von denen viele rassistische Kommentare hinterlassen hätten. Grundsätzlich hätte er aber kein Problem mit kritischer Berichterstattung gegenüber dem Islam. Den Hass auf die Medien solle man besser Pegida überlassen. Öztürk kritisierte, dass über Brandanschläge auf Moscheen oft nur beiläufig berichtet werde.

Fazit

Am Ende waren sich alle einig, dass das beste Mittel gegen Islamfeindlichkeit das Reden über den Islam und die Teilhabe in der Gesellschaft sei. Ein gutes Beispiel hierfür sei der Arbeitskreis Grüne MuslimInnen NRW bei Bündnis 90/Die Grünen.

Artikel von Matthias Bannas und Alexander Schröder / alle Fotos von Andrea Tschammer

Impressionen:

 

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