Zum ersten Mal seit 18 Monaten gab es wieder einen Berliner Pub Talk – und das Interesse war groß. Nur wenige Tage vor der Bundestagswahl haben gleich zwei Mitglieder des Bundestags über die Verkehrspolitik in Berlin und darüber hinaus diskutiert. Daniela Kluckert (FDP) und Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) sind beide Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages und treten beide als Direktkandidaten ihrer Parteien in Berlin-Pankow an. Der nächste Bundestag mag zwar nicht über die lokale Verkehrsentwicklung entscheiden, wird aber wichtige Weichen dafür stellen, wie sich Mobilität im städtischen Raum weiterentwickelt.
Den größten Streitpunkt zwischen den Kontrahenten gab es beim Thema Pkw in der Innenstadt. Grünen-Politiker Gelbhaar betonte, dass in der Berliner Innenstadt nur drei Prozent der Verkehrswege für Fahrräder reserviert seien und sich dieser Wert mindestens verdoppeln müsse. Dafür sei es auch nötig, dass Parkplätze weichen, insbesondere an Hauptverkehrsstraßen, und einzelne Siedlungen für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Auch Tempo 30 als Standard und Tempo 50 als Ausnahme sei erstrebenswert.
FDP-Kandidatin Kluckert widersprach: „Flächendeckendes Tempo 30 wird es mit mir nicht geben.“ Zwar sprach auch sie davon, dass mehr Platz für Fahrräder nötig sei, und dass dafür andere Verkehrsteilnehmer durchaus verzichten müssten, wurde jedoch weniger konkret, wer für die Zweiräder letztendlich auf Platz verzichten müsse. Allerdings betonte auch Stefan Gelbhaar, dass er nicht grundsätzlich gegen privat genutzte Pkw in der Innenstadt sei.
Fast einig waren die Diskutanten sich beim Thema, dass es mehr alternative, öffentliche Verkehrsangebote geben müsse und dass diese zumindest ein Stück weit auch durch Anreize von der öffentlichen Hand gesteuert werden müssten. „Wenn eine Gemeinde in der Innenstadt Gewinn damit macht, dass sie ein Verkehrsangebot erlaubt, kann sie mit diesem Gewinn ein ähnliches Angebot in den Randbezirken bezuschussen“, sagte Daniela Kluckert. Gelbhaar fiel ein: „Reden wir von einer City-Maut? Darauf können wir uns einigen.“
Nach ihren Visionen nach einem großen Wurf für die zukünftige Verkehrspolitik gefragt, blickten die beiden über den kommunalen Raum hinaus. Daniela Kluckert erzählte von einer Begegnung auf der Internationalen Automobilausstellung IAA, bei der sie eine spannende Alternative zum Ausbau von Schienen kennen gelernt habe: Deutlich günstiger könnte es sein, bestimmte Strecken zu asphaltieren und ausschließlich mit selbstfahrenden Fahrzeugen zu nutzen. Gelbhaar betonte die Initiative für ein umfassendes europäisches Nachtzugnetz, die im aktuellen Wahlkampf unter anderem auch von seiner Partei angestoßen wurde.
Stefan Mauer