Seit Anfang Juni können E-Scooter in Berlin gefahren werden. Seitdem überschlägt sich die Kritik. E-Sooter seien unsicher, umweltgefährdend und unsozial. Dabei ist die Elektrokleinstfahrzeuge Verordnung (eKFV) ein gutes Beispiel für innovationsfreundliche Gesetzgebung, weil sie eben nicht von vornherein alles bis ins kleinste Detail durchreguliert. Das funktioniert. Verschiedene Sharing-Anbieter sind auf dem Markt. Die Bürger können E-Scooter ausprobieren. Es entsteht zusätzlicher Spielraum für Mobilität, die ohne Autos auskommt.
In der Debatte waren sich Stefan Gelbhaar, MdB und Obmann im Verkehrsausschuss für Bündnis 90/Die Grünen und sein Diskussionspartner Marco Lietz, Public Affairs Manager beim E-Scooter-Verleiher Circ, dann auch in einer Sache einig: Grundsätzlich sei es gut, dass das selbstverständliche Monopol der Pkw in den Innenstädten langsam aufgeweicht werde. „Es gibt sicherlich auch Gründe zur Kritik“, sagte Gelbhaar. „Aber bei der Verkehrswende können die Roller im positiven Sinne ein Stachel im Fleisch sein.“ Er kritisierte, dass die Kommunen beim Thema Verkehr viel zu lange abgesehen vom Straßenbau kaum ihre Gestaltungskraft genutzt hätten – und so die Übermacht des Autos noch gefestigt hätten: „Man sieht es am Beispiel Berlin. Gute 10.000 E-Scooter versetzen die Stadt in Wallung, mehr als eine Million Pkw nicht.“
Thema waren auch zahlreiche Kinderkrankheiten, die die kurzfristige Einführung der Elektroroller in vielen Städten immer noch mit sich bringen. Aus dem Publikum kam zum Beispiel die Kritik, dass die Fahrzeuge oft im Weg herumstehen oder –liegen und dass viele Fahrer sich nicht an die Verkehrsregeln hielten. Circ-Mann Lietz stimmte den Kritikern in vielen Punkten zu, gab jedoch zu bedenken, dass dies zum Teil auch Kinderkrankheiten seien. „Wir befinden uns mitten in einem Transformationsprozess. Viele der Nutzer sind noch Erstfahrer. In einem oder zwei Jahren werden wir schon viel weiter sein.“ Er verwies zum Beispiel darauf, dass die Stadt Frankfurt in kürzester Zeit einen Rollerparkplatz in der Nähe des Hauptbahnhofs eingerichtet hat. „In Zukunft wird es viel mehr solche Angebote geben, nicht nur die Roller“, sagte er. „Der ÖPNV ist und bleibt das Rückgrat der Fortbewegung. Aber immer mehr flexible Dienste werden sich an den Haltestellen andocken und das Angebot erweitern.“
Die Vision beider Diskutanten: Eine zentrale Plattform, auf der Nutzer einfach nur Start- und Zielpunkt eingeben und die verschiedenen Mobilitätsoptionen inklusive Preisen angezeigt bekommen – ohne, das die Anwendung einen der Anbieter bevorzugen würde. Ob der E-Roller auf dem Weg dorthin wirklich eine der Triebfedern ist, wird sich wahrscheinlich erst in den kommenden Jahren zeigen.
Stefan Mauer