Wie geht es weiter mit dem Leben, wenn wir mal alt sind? Damit setzen sich viele Menschen erst auseinander, wenn es bereits zu spät ist. Beim Berliner Pub Talk am 29. August diskutierte hierzu Dr. Gottfried Ludewig MdA, Direktkandidat der CDU für Pankow bei der Bundestagswahl und gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin mit Reinhardt Pumb, Geschäftsführer der mevanta Pflegegesellschaft mbH und stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Berlin des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) e.V.. Moderiert hat Matthias Bannas.

Von links: Reinhardt Pumb, Matthias Bannas und Dr. Gottfried Ludewig MdA

Die meisten Menschen werden irgendwann im Laufe ihres Lebens pflegebedürftig. Wann und wie das passiert, können sie – unbenommen von Schicksalsschlägen und Krankheiten – selber beeinflussen. Ernährung, Sport und Lebenswandel spielen eine wichtige Rolle. Neben staatlicher Unterstützung im Rahmen der Pflegeversicherung spielen Familien und die Gesellschaft eine wichtige Rolle für die Selbständigkeit von Menschen im Alter. Mit der Definition des neuen Pflegebegriffs ist die Selbständigkeit von Menschen ab sofort die Maßeinheit zur Festlegung von Leistungen der Pflegekasse. Ludewig und Pumb teilten die Auffassung, dass auch für die nächste Bundesregierung noch sehr viel zu tun ist, um die Versorgung pflegebedürftiger Menschen sicher zu stellen und zu verbessern.

Rechtzeitig informieren

Man könne und wolle die Menschen nicht zwingen, sich rechtzeitig mit den Konsequenzen einer Pflegebedürftigkeit auseinanderzusetzen. Viel besser geeignet seien Vorbilder, zum Beispiel Reportagen im Fernsehen, in denen sich Eltern gemeinsam mit ihren erwachsenden Kindern über die Herausforderungen im Falle einer Pflegebedürftigkeit informieren, machte Ludewig deutlich. Pumb wies darauf hin, dass Menschen, die sich rechtzeitig informieren – zum Beispiel hinsichtlich eines geeigneten Pflegeheims – viel mehr eigenen Entscheidungsspielraum haben. Er selber habe sich für eine altersgerechte Wohnung mit Fahrstuhl entschieden.

Ausstattung der Wohnung

Eine wichtige Rolle für ein selbständiges Leben spielt die Ausstattung der Wohnung und des Wohnhauses. Selbst eine einfache Treppenstufe beim Hauseingang kann ein Hindernis sein, das gesellschaftliche Teilhabe erheblich erschwert. Ludewig wies darauf hin, dass 4.000 Euro für notwendige Umbauten in Wohnungen vom Staat zur Verfügung gestellt werden. In Anbetracht der hohen Baukosten müsste geprüft werden, ob diese Summe überhaupt ausreicht. Alleine der altersgerechte Umbau eines Badezimmers verursache erhebliche Kosten. Pumb ergänzte, dass hierzu die Betroffenen auf im Rahmen der Pflegeversicherung finanzierte Beratung zurückgreifen können. Eine wichtige Rolle spielen die Wohnungsbaugesellschaften. Diese haben ein hohes Interesse am altersgerechten Umbau von Wohnungen, denn der Zuschuss könne auch für gemietete Wohnungen genutzt werden. Außerdem könne die Miete angehoben werden.

Fachkräftemangel

Pumb und Ludewig waren sich einig, dass der Fachkräftemangel in der Altenpflege die größte Herausforderung bei der Versorgung der Pflegebedürftigen darstellt, eine bessere Bezahlung sei notwendig. Ludewig wies darauf hin, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen wird. Bereits heute wird es in den dünner besiedelten Regionen Deutschlands immer schwieriger, die Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheits- und Pflegedienstleistungen sicher zu stellen. Pumb entgegnete, dass auch in Berlin Pflegedienstleister überhaupt nicht mehr um neue Kunden werben müssen. Die Frage sei vielmehr, ob ausreichend Fachkräfte zur Versorgung bereitstehen, um auf Anfragen mit einer Zusage reagieren zu können. In seinem Unternehmen setzt er auf übertarifliche Bezahlung und regelmäßige Weiterbildungsangebote, um Fachkräfte zu halten. Darüber hinaus können die Mitarbeiter preisgünstige Ferienwohnungen des Unternehmens nutzen.

Um dem Fachkräftemangel Herr zu werden, sei Zuwanderung unerlässlich, erklärten Pumb und Ludewig. Pumb schilderte seine Erfahrungen mit der Ausbildung von Flüchtlingen. Das gelinge in Einzelfällen. Sein Unternehmen und auch der Verband seien hier sehr stark engagiert. Aber nur jeder zehnte Interessent könne am Ende für die Tätigkeit gewonnen werden. Viele hätten falsche Vorstellungen. Darum sei es erfolgsversprechender auf Zuwanderer aus Ländern zu setzen, die einen hohen Bevölkerungsüberschuss haben, aber auch bereits für die Pflege ausbilden. Ein Beispiel sei der Iran.

Digital Health versus Bürokratie

Auch im Gesundheitswesen nimmt die Bedeutung digitaler Lösungen zu. Das gelte insbesondere für die Dokumentation, erklärte Pumb. Die Bürokratiebelastung habe deutlich abgenommen, weil die Mitarbeiter auf ihrem Smartphone die erforderlichen Angaben einfach per Klick erledigen können. Auch die Tourenplanung werde einfacher. Ludewig unterstrich die Bedeutung von innovativen Berliner Startups für das Gesundheitswesen.

Pflegepolitik in Berlin

Der amtierende Berliner Senat hat zu Beginn der Legislaturperiode die Senatsverwaltung umstrukturiert. Gesundheit, Pflege und Soziales sind nicht länger gemeinsam in einem Ministerium, sondern wurden auf zwei Ministerien verteilt. Das verursache erheblichen Abstimmungsaufwand kritisierte Pumb. Für die Gesundheitswirtschaft sei es sehr aufwändig, mit beiden Ministerien gemeinsam für konkrete Probleme Lösungen zu finden. Ludewig kritisierte, dass von der Ankündigung im Koalitionsvertrag des rotrotgrünen Senats für eine „Senior*innenfreundliche Stadt Berlin“ noch überhaupt nicht zu sehen sei. Nur einige Projekte des ehemaligen schwarzroten Senats konnten vorangebracht worden.

Pflegekammer

Ob die Einrichtung einer Pflegekammer in Berlin sinnvoll ist oder nicht, beurteilten Ludewig und Pumb unterschiedlich. Ludewig sprach sich für eine Pflegekammer in Berlin aus. Eine Mehrheit der Berliner-Pflegekräfte hätte sich in einer Befragung dafür ausgesprochen. Eine professionelle Vertretung der Pflegekräfte sei wichtig. Das zeige sich in seinem Alltag bei Anhörungen zu Gesetzgebungsverfahren. Vertreter der Ärztekammer erscheinen perfekt vorbereitet. Ehrenamtliche Vertreter der Pflegekräfte hätten oft sogar Probleme überhaupt an den Anhörungen teilzunehmen. Dem widersprach Pumb. Pflegekräfte werden bereits heute durch die Gewerkschaften vertreten. Außerdem bestehe das Problem der Finanzierung über Beiträge aller Pflegekräfte, auch der nicht so gut bezahlten.

Matthias Bannas

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer