Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Wie genau diskutierten Daniela Kluckert, Direktkandidatin der FDP für den Bezirk Pankow bei der Bundestagswahl und Christian Lorenz, Leiter Hauptstadtbüro der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), beim Berliner Pub Talk am 13. Juli. Die Moderation hat Irene Waltz-Oppertshäuser übernommen.

Vpm links: Daniela Kluckert, Irene Waltz-Oppertshäuser und Christian Lorenz

Die Digitalisierung birgt Chancen und Risiken für alle Arbeitnehmer. Es liegen keine Patentrezepte in der Schublade, wie die Gesellschaft damit umgehen sollte. Neben Lösungsvorschlägen hat die Diskussion auch viele neue Fragen aufgeworfen.

Wie organisieren wir unsere Arbeit in Zukunft?

Das Arbeiten in festen Einzelbüros verliert an Bedeutung. Insbesondere bei Startups sind Großraumbüros der Standard. Auch Arbeitsplätze in Coworking-Spaces verzeichnen deutliche Zuwachsraten. Automatic, die Firma hinter wordpress, hat ihr großes Büro in San Francisco sogar ganz aufgegeben. Ein Gegenbeispiel ist Yahoo, dort sind die Home-Office-Programme eingeschränkt worden. Für Führungskräfte stelle sich in jedem Unternehmen die Frage „wie bekommen wir den Laden zusammengehalten?“. Das werde vor dem Hintergrund von Home-Office und internationalen Teams, die an verschiedenen Standorten sitzen, immer anspruchsvoller. Ein gemeinsamer Ort sei wichtig, erklärte Lorenz.

Welche Jobs fallen weg?

Zurzeit haben wir kein Problem auf dem Arbeitsmarkt, auch für geringqualifizierte Arbeitskräfte gebe es in vielen Regionen Deutschlands Angebote, erläuterte Kluckert. Politik könne immer nur vorhandene Probleme lösen. Bei dem anstehenden Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt auf Grund der Digitalisierung sei es erforderlich, die Menschen fit zu machen. Darum ist eine bessere Bildungspolitik der Schlüssel. Bei der Digitalisierung sind die Chancen größer als die Risiken. Diese Position wurde von einem Startup-Gründer im Publikum ausdrücklich geteilt.

Allerdings sind in den USA bereits zehntausende Arbeitsplätze im Einzelhandel verlorengegangen. Ursache ist der e-commerce-Boom. Ob aber nur einfache Arbeitsplätze verloren gehen können, bezweifelte Lorenz. In der Vergangenheit wären bei einem Strukturwandel auch immer viele neue Jobs entstanden, nur eben nicht zwingend für die Menschen, die ihre Arbeit verloren hätten. Die Digitalisierung sei ein besonderer Fall weil auch Tätigkeiten mittlerer Qualifikation – von der Sekretärin bis zum Controller – gefährdet seien. Diese Jobs werden von Menschen mit einem viel höheren Protestpotenzial ausgeübt, warnte ein Gast. Hier seien die Chancen für eine Umschulung oder eine Weiterbildung aber viel besser, so Kluckert. Jost Vielhaber ergänzte, dass im Online-Handel ganz neue Berufe entstanden seien. Hier gehe es um Qualifikationen wie zum Beispiel Online-Marketing oder Web-Entwicklung, die vorher vom Handel überhaupt nicht nachgefragt worden sind. Lorenz ergänzte, dass in vielen Unternehmen ein „upskilling“ bei den Mitarbeitern zu beobachten sei.

Schutzbedürftige Arbeitnehmer

Auch in der Digitalwirtschaft stellt sich die Frage nach der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten. Wenn es in Unternehmen üblich ist, dass Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten, sobald sie krank sind, ist das ein Verstoß gegen geltendes Recht. Ob sich die Betroffenen dagegen wehren können, wenn es in den Unternehmen keinen Betriebsrat und keine Gewerkschaft gibt, gehört auf den Prüfstand. Kluckert forderte, dass Gesetzesverstöße gegen Arbeitnehmerrechte geahndet werden müssen. Auch die Personalabteilungen sind für den Schutz von Arbeitnehmerrechten mitverantwortlich. Sie dürfen nicht die Augen bei offensichtlichem Missbrauch verschließen, forderte Lorenz. Wenn Arbeitnehmer überfordert werden und dann erkranken, sei es nicht fair, die Kosten an die Gesellschaft weiterzugeben.

Angestellt oder selbständig?

Das Thema Scheinselbständigkeit beschäftigt die Politik bereits seit Jahrzehnten. Mit dem Aufkommen von Unternehmen wie Uber oder Deliveroo bekommt die Debatte neue Nahrung. Kluckert forderte, man müsse auch darauf schauen, wer für solche Unternehmen arbeite. Wenn es sich um Studenten handelt, decke ich sie Arbeit vermutlich mit deren Lebensentwürfen. Aus dem Publikum kam der Einwurf, dass Studenten nur einen Teil der betroffenen Arbeitskräfte ausmachen. Grundsätzlich stelle sich die Frage nach der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, wenn sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerverhältnisse in den Hintergrund rücken würden, merkte Lorenz an Diese müsse in Zukunft stärker durch Steuern – auch durch eine effektive Besteuerung der Unternehmensgewinne – erfolgen. Tobias Kremkau kritisierte den mangelhaften Schutz für alle, die einfache Tätigkeiten ausüben. Bei denen, die besser qualifiziert und zugleich selbständig sind, sei der gesetzliche Rahmen aber viel zu eng.

Matthias Bannas und Irene Waltz-Oppertshäuser

Impressionen der Veranstaltung – alle Fotos von Andrea Tschammer