Wie bewegen sich Menschen künftig in der Stadt wurde am 18. Mai beim Berliner Pub Talk diskutiert. Nicola Brüning (Leiterin der Repräsentanz Deutschland der BMW Group in Berlin), Stefan Gelbhaar MdA (verkehrspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin) und Robert Ide (Ressortleiter Berlin/Brandenburg beim Tagesspiegel) debattierten gegeneinander und mit dem Publikum. Sebastian Frevel übernahm die Moderation im weiten Feld der urbanen Mobilität.

Vpn links: Nicola Brüning, Sebastian Frevel, Robert Ide und Stefan Gelbhaar

Vernetzter Verkehr – mehr als Car-Sharing

Verkehr ist das Thema, das viele Berliner brennend interessiert. Artikel zu Verkehrsthemen werden auf der Internetseite des Tagesspiegels am besten geklickt, erzählte Ide. Gerade in Berlin lässt sich bestens erleben, wie es mit dem Verkehr in großen und verdichteten Räumen weitergehen könnte und wo sich die Probleme stauen. Im Zentrum Berlins wird der Parkraum immer knapper. Das Auto ist schon im Rückwärtsgang, aber öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV), Fahrrad und intelligente Vernetzung befriedigen noch lange nicht die Mobilitätserwartungen der Berlinerinnen und Berliner. Der ÖPNV ist gut ausgebaut, aber am Rande der Auslastung. Und noch immer wird mit dem Auto gependelt. Damit die Verknüpfung der verschiedenen Mobilitätsbausteine funktionieren, seien Plattformen erforderlich, die beispielsweise eine gemeinsame Abrechnung ermöglich. Hamburg sei übrigens bereits einen Schritt weiter als Berlin. BMW habe mit der Stadt eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Verkehrswende hin zu schadstoffärmerer Mobilität zu befördern. Wenn trotzdem ein Auto erforderlich ist, stehen verschiedene Car-Sharing Angebote zur Verfügung. Diese setzen im besten Falle auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb, erklärte Brüning. In Zukunft wird es also immer attraktiver, darauf zu verzichten, mit dem eigenen Auto in die Innenstadt zu fahren. Gelbhaar schlug obendrein eine Mobilitätsversicherung vor. Die Verkehrsanbieter müssten dahin kommen, ihren Kunden garantieren zu können, dass sie zu einem festgelegten Zeitpunkt ihr Ziel erreichen.

Pendler zuerst?

Brüning forderte die Verkehrswende von draußen und nicht in den Innenstädten zu beginnen. Dafür seien bessere Angebote für Pendler erforderlich. Das sieht auch Ide so. Gelbhaar antwortete, dass Berlin zwar 250.000 Einpendler pro Tag verzeichne. Wichtiger seien aber die Verkehrsangebote für die über drei Millionen Berliner. Das nicht nur darum der ÖPNV unbedingt besser werden müsse war allgemeiner Konsens.

Zukunft für Diesel?

„Es gibt inzwischen eine gewisse Zurückhaltung beim Kauf von Dieselfahrzeugen. Aber man darf nicht alle Fahrzeuge gleich verteufeln. Kein einziger BMW ist bei den Untersuchungen belastet worden. Die Zukunft des Diesel wird davon abhängen, wie sauber die Fahrzeuge sind. Und zwar bei allen Marken“, erklärte Brüning.

Elektromobilität

Ide kritisierte, dass die Innovation bei der Elektromobilität zu lange auf sich warten lasse. Dieser Kritik schloss sich Gelbhaar an. Berlin könne nicht einmal passende Elektrobusse für den ÖPNV kaufen. In China und Japan sei man viel weiter. Da baue der Staat die Ladeinfrastruktur. Brüning antwortete, dass die Industrie sich bemühe, Ladeinfrastruktur zu bauen. Das sei aber auf Grund der Baugesetzgebung sehr schwierig. Hinzu käme, dass die Abstimmung mit den Berliner Bezirken zäh verlaufe. Das führe dazu, dass die Ladestationen auf halböffentlichem Gelände entstehen würden.

Auf die Kritik hin, dass die Batterien von Elektrofahrzeugen auch erhebliche Umweltbelastungen verursachen würden, wies Brüning auf das von Vattenfall, BMW und Bosch getragene Projekt „Second-Life-Battery“ hin. Wenn Batterien nach acht Jahren ausgetauscht werden müssen, können sie als Speicher für erneuerbare Energien eingesetzt werden. Das sei möglich, indem viele Batterien in Großanlagen zusammengeschlossen werden, denkbar ist aber auch ein Einsatz in Privathaushalten.

Mobilität für Ältere

Ein Aspekt der immer stärker an Bedeutung für die Verkehrspolitik in den Großstädten gewinnt, ist die alternde Bevölkerung. Ide kritisierte die „menschenverachtenden Ampelschaltungen“ in Berlin. Bei vielen Ampeln sei es selbst jüngeren Berlinern überhaupt nicht möglich, die Straße während der Grünphase zu überqueren. Wichtig sei auch hier ein besserer und sicherer ÖPNV. Hierzu würden den Tagesspiegel zahlreiche Leserbriefe erreichen. Gelbhaar machte deutlich, dass dieses das Ziel der neuen Berliner Regierung sei. Dabei gehe es um niedrigere Tarife, mehr Zuverlässigkeit, Sicherheit und Sauberkeit.

Ob autonom fahrende Fahrzeuge eine Lösung sein könnten, war strittig. Gelbhaar kritisierte, dass bereits jetzt viele Fahrzeuge nur mit einer Person unterwegs seien. Fahrzeuge, die sich ohne Fahrgäste im Stadtverkehr bewegen, seien für die Grünen nicht akzeptabel. Aus dem Publikum kam der Vorschlag, stärker auf Unternehmen wie Uber zu setzen und deren Marktzugang durch Gesetzesänderungen zu ermöglichen. Uber sei in den USA insbesondere bei den älteren Verkehrsteilnehmern beliebt und würde sehr stark auf deren Bedürfnisse eingehen. Dem erteilte Gelbhaar eine Absage. Uber setze darauf, auf Kosten der Fahrer Gewinne zu erzielen. Das Geschäftsmodell sei nicht akzeptabel.

Und die Fahrräder?

Bislang stehe 60 Prozent der Fläche Berlins dem Autoverkehr zur Verfügung. Das werde die Berliner Regierung ändern und die Rahmenbedingungen für den Fahrradverkehr verbessern, erklärte Gelbhaar. Das bedeute mehr und bessere Fahrradwege. Brüning wies darauf hin, dass in Norwegen die Fahrradwege bei der Schneeräumung Vorrang genießen. Ide ergänzte, dass viele Fahrradwege Berlins in einem sehr schlechten Zustand seien. Das greife der Tagesspiegel regelmäßig auf. Bei den anstehenden Entscheidungen dürfen aber nicht die Fußgänger als schwächste Verkehrsteilnehmer hinten runter fallen. Insbesondere ältere Berliner nehmen Fahrradfahrer vielfach als aggressive Verkehrsteilnehmer wahr.

Matthias Bannas und Sebastian Frevel

Ergänzung

Stefan Gelbhaar hat einige Wochen nach der Veranstaltung auf eine Untersuchung von BMW-Fahrzeugen durch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingewiesen. Dabei ist ein Fahrzeug belastet worden. Die DUH hat die Pressemeldung hierzu nach dem Berliner Pub Talk am 23. Mai 2017 veröffentlicht. Hier die Pressemeldung: http://www.presseportal.de/pm/22521/3643342

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer