Unter Mietern sind energetische Modernisierungsmaßnahmen unbeliebt. Deutlich höhere Mieten stehen oft nur geringen Einsparungen bei den Heizkosten gegenüber. Klaus Mindrup, Bundestagsabgeordneter für Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee und Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, diskutierte hierzu beim Berliner Pub Talk am 18. April mit Andy Dietrich, Pressesprecher beim ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.). Der ZIA ist Spitzenverband und steht für die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft. Moderiert hat Dr. Felix Hardach.
Preisgünstige Wohnungen und strenge Umweltstandards passen scheinbar nicht zusammen, oder doch? Die Münchener Wohnungsbaugesellschaft Gewofag hat sechs identische Gebäude mit jeweils verschiedenen Dämmmaterialien und -systemen ausgerüstet. Am besten hat ein einfaches System zur Drosselung der Heizung – sobald ein Fenster geöffnet wurde – abgeschnitten. Wie können bezahlbare Wohnungen energieeffizient gebaut oder umgerüstet werden? Welche Auswirkungen haben geplante Gesetzesvorhaben zur Energieeffizienz auf Mieten und Baukosten?
Brauchen wir KfW-Standards?
Die Bundesregierung ist verpflichtet, Standards für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu definieren, machte Mindrup deutlich. Hintergrund hierfür sind eine EU-Richtlinie, die umgesetzt werden muss, mehrere Gesetze und die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Klimaabkommen von Paris. Es lohne sich, nach Alternativen zu den KfW-Standards Ausschau zu halten. Kreative Lösungen gebe es in Schweden. Dort werden Wohnungen nicht kalt, sondern warm vermietet. Es wäre besser, darauf zu schauen, wie viel CO2 wirklich eingespart wird. Zum Beispiel mit einem technologieoffenen Ansatz, bei dem die Ergebnisse gemessen und nicht länger die Maßnahmen vorgeschrieben werden. Dietrich teilte diese Position. Der ZIA stehe ausdrücklich hinter den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Zurzeit spiele jedoch die CO2-Einsparung im Rahmen der energetischen Modernisierung überhaupt keine Rolle. Dass sollte – mit verbindlichen Messverfahren – geändert werden. Viele Politiker dächten, die Gebäudehülle sei das Entscheidende, um Energie zu sparen. Das sei aber falsch. Insbesondere die strengeren KfW-Standards verursachten beim Bau so hohe Kosten, dass sie für die Mieter überhaupt nicht wirtschaftlich seien. Hardach wies auf das Kontrollproblem hin. Da hätten Standards einen klaren Vorteil. Dem pflichtete Mindrup bei, belastbare Kontrollen seien unerlässlich. Diese seien auch möglich, erklärte Dietrich.
Entmietung mit energetischer Sanierung in Pankow
Sehr oft werde energetische Sanierung in Pankow dazu genutzt, Mieter aus ihren Wohnungen zu vertreiben, kritisierte Christoph Speckmann. Die Miete steige um mehr als 100 Prozent ohne nennenswerte Einsparungen bei den Heizkosten. „Es handelt sich hier nicht um Vermieter, sondern um Entmieter“, kritisierte Mindrup. Auch in der Kopenhagener Straße direkt neben seinem Wahlkreisbüro gebe es ein Beispiel. Er habe dieses Thema sehr oft in seiner Sprechstunde. Es sei geltendes Recht, dass energetische Modernisierung Vorrang hat. Die SPD habe versucht, die negativen Folgen mit einer Mietrechtsreform zu unterbinden. Der Koalitionspartner CDU/CSU habe dieses Vorhaben jedoch nicht unterstützt. Dabei sei das Problem – zumindest in Berlin – offensichtlich. „Wir bekommen in Berlin keine Erleichterung. Die Stadt unterschätzt, was hier passieren wird. 70 Prozent der Wohnungen sind Mietwohnungen. Wir müssen die Mieter im Bestand schützen“, forderte Mindrup. Dietrich stellte klar, dass energetische Modernisierungen mit dem Ziel, Mieter zu verdrängen, der gesamten Immobilienwirtschaft schaden.
Mieterstrom
Ein Schritt zu einer besseren CO2-Bilanz sei die Einführung von Mieterstrom, schlug Dietrich vor. Hier sei es aber wichtig, nicht einzelne Häuser, sondern Quartiere zu betrachten. Dann könnten auch Gewerbegebäude einbezogen werden. Dem stehe aber das Problem der „Gewerbesteuerinfektion“ im Weg. Wenn Vermieter Strom erzeugen, besteht das Risiko, dass auch alle Mieteinnahmen gewerbesteuerpflichtig werden. Das müsse der Gesetzgeber ändern. Mindrup antwortete, dass das Thema immer noch in der Diskussion sei. Obwohl ihm ein Kollege bereits vor Jahren treffend deutlich gemacht habe „Klaus, damit kommst Du nicht am Pförtner vom Bundesfinanzministerium vorbei.“, treffe der Bundestag vielleicht noch in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung.
Was noch tun?
Wirtschaftlich energetisch zu modernisieren ist möglich, machte Mindrup deutlich. Dafür gäbe es zahlreiche Beispiele – zum Beispiel im Ruhrgebiet. Wie es gehen könne, zeige die Genossenschaft Bremer Höhe, die er im Jahr 2000 mitgegründet habe und für die er sich immer noch engagiere. Strom und Wärme werden in den großen Wohnanlagen ökologisch vor Ort mit Blockheizkraftwerken erzeugt. Den Bewohnern entstehen keine Mehr- sondern Minderkosten. Dietrich warb für die serielle Bauweise. Erfolgreiche energetische Modernisierung sei keine Frage der Rechtsform. Auch privatwirtschaftliche Immobilienunternehmen sind sehr erfolgreich. Das beste Mittel gegen Wohnungsmangel sei Neubau. Uneinig waren sich Dietrich und Mindrup in der Frage, ob Baugrundstücke in Berlin vorrangig nicht mehr an die Privatwirtschaft vergeben werden sollen. Mindrup wies auf das Problem der Spekulation hin. In Berlin gäbe es viel Bauland in Privatbesitz, das nicht bebaut werde, weil es eben zur Spekulation genutzt wird. Dietrich erläuterte die Möglichkeit hin, Bauland mit Auflagen zu vergeben. Damit könne Missbrauch vermieden werden.
Wichtig sei es, das Problem des Wohnungsmangels anzupacken. „Wer nichts ändert, gefährdet den Zusammenhalt der Gesellschaft“, erklärte Mindrup. „Eingriffe, die das Bauen weiter verteuern, sind nicht sinnvoll“, mahnte Dietrich.
Matthias Bannas und Dr. Felix Hardach
Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer