Der Initiative Berliner Mietenvolksentscheid ist es gelungen, die erforderlichen Unterschriften zur Einleitung eines Volksbegehrens zu sammeln. Ein guter Zeitpunkt um herauszufinden, um was es überhaupt geht. Hierzu standen Dr. David Eberhart, Pressesprecher des BBU (Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.) und Rouzbeh Taheri von der Initiative Berliner Mietenvolksentscheid beim Berliner Pub Talk am 25. Juni Rede und Antwort. Moderiert hat Dr. Felix Hardach. Partner der Veranstaltung, die in der Dunhill-Lounge stattfand, war der Verein für überparteiliche Verständigung Wahlkreis e.V.

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Von links: Dr. David Eberhart , Dr. Felix Hardach und Rouzbeh Taheri / Foto Andrea Tschammer

Der Initiative Berliner Mietenvolksentscheid ist es gelungen, die erforderlichen Unterschriften zur Einleitung eines Volksbegehrens zu sammeln. Ein guter Zeitpunkt um herauszufinden, um was es überhaupt geht.

„Berliner Mietenvolksentscheid – sinnvoll oder geht das besser?“

Nun liegt es erst einmal an der Berliner Landesregierung, wie es mit dem Mietenvolksentscheid weiter geht. Bleibt das Abgeordnetenhaus untätig, muss die Initiative Berliner Mietenvolksentscheid ab Januar 2016 175.000 gültige Unterschriften sammeln, damit ein Volksentscheid eingeleitet wird.

Wie viele Wohnungen fehlen in Berlin?

Dass Wohnraum fehlt, verwundert vor dem Hintergrund des Zuzugsüberschusses nach Berlin nicht. Auch im letzten Jahr ist die Einwohnerzahl wieder um mehr als 40.000 Menschen gestiegen. Laut Taheri fehlen mehr als 100.000 Wohnungen in Berlin. Da die Politik in den letzten Jahren versagt habe, sei die Initiative Berliner Mietenvolksentscheid gegründet worden. Auch Eberhart teilte die Einschätzung, dass Berlin mehr preisgünstigen Wohnraum braucht. Wie viele Wohnungen wirklich fehlen, sei aber nicht eindeutig feststellbar. Der BBU würde regelmäßig den Finger in die Wunde legen und vom Senat mehr Engagement beim Wohnungsbau einfordern.

Wohnungsbaugesellschaften umstrukturieren?

Einer der umstrittensten Vorschläge der Initiative ist die Umwandlung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Anstalten des öffentlichen Rechts, verbunden mit Einrichtung eines starken Verwaltungsrates und Mieterräten. Die Mieterräte sollen in alle Entscheidungen der Wohnungsbaugesellschaften eingebunden werden und damit für mehr Bürgerbeteiligung sorgen. Taheri warb für diesen Vorschlag und zog die Mitbestimmung in der Privatwirtschaft als Vergleich heran. Auch dort sei die Welt mit der Mitbestimmung nicht untergegangen. Durch die Mieterräte werde die Demokratie gestärkt, weil alle Betroffenen an den Entscheidungen beteiligt seien.

Eberhart lehnte diesen Vorschlag entschieden ab. Der Vergleich mit der betrieblichen Mitbestimmung hinke, weil es sich bei den Mietern um Kunden, nicht um Beschäftigte der Wohnungsunternehmen handle. Eine Umstrukturierung würde die Wohnungsbaugesellschaften für einige Jahre lahm legen. Die Mieterbeiräte und der Verwaltungsrat würden den Entscheidungsspielraum der Vorstände stark einengen. Alle Entscheidungen wären viel zeitaufwendiger, wenn sie durch Gremien geschleust werden müssten. Auch die Qualifikation der Mieterbeiräte sei überhaupt nicht sichergestellt. Man könne Unternehmen mit Milliardenumsätzen nicht führen wie „Kaninchenzüchtervereine“.

Gesetzesinitiative – Gewinner und Verlierer

Nahezu jede politische Entscheidung produziert nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer. Das gilt auch für den Mietenvolksentscheid. Eberhart kritisierte, dass die Kosten des Gesetzes, die vom BBU und dem Berliner Senat auf 3,3 Milliarden Euro veranschlagt werden, dazu führen würden, dass die Stadt viel weniger Geld für andere Aufgaben wie Bildung oder Infrastruktur aufwenden könne. Von den Mietsubventionen würde nur ein Teil der Bürger profitieren. Von der Gegenfinanzierung – die Initiative hat vorgeschlagen die Grunderwerbssteuer auf 7,5 Prozent anzuheben – würden aber alle durch weiter steigende Baukosten und damit auch höhere Neubaumieten betroffen sein.

Taheri erklärte, dass die Mehrzahl der Bürger von dem Gesetzesvorschlag profitieren würden. 60 Prozent aller Berliner könnten einen Wohnberechtigungsschein beantragen. Wer ein geringes Einkommen beziehe, würde von den Mietsubventionen profitieren. Außerdem sei die Belastung für den Haushalt Berlins überhaupt nicht so groß. Neueste Schätzungen gingen davon aus, dass das Gesetzespaket höchstens 2,1 bis 2,3 Milliarden Euro an Kosten verursachen werde. Das seien jährlich 500 Millionen Euro und nur ein Fünfzigstel des Haushalts von Berlin.

Wohnungsbau, auch innerhalb des S-Bahnrings

Tilman Wickert wies darauf hin, dass innerhalb des Berliner S-Bahnrings kaum noch Flächen für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Er fragte die beiden Experten, wie viele Sozialwohnungen dort überhaupt noch gebaut werden könnten. Naheliegend seien 14.000 Wohnungen auf landeseigenen Grundstücken; auch wenn einige Schätzungen höhere Zahlen ausweisen . Eberhart erklärte, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein Drittel Sozialwohnungen bauen würden. Das würde für eine gute soziale Durchmischung sorgen und die Bildung von Ghettos verhindern.

Taheri wiedersprach. Auch bei 100 Prozent Sozialwohnungen, wie es die Initiative für die Bebauung innerhalb des S-Bahnrings vorsehe, stelle sich nicht das Problem der Ghettobildung. Viele Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins würden ganz normalen Berufen nachgehen. Michael Springer (Pankower Allgemeine Zeitung) ergänzte, dass es sinnvoller sei, Geringverdienern einen besseren Zugriff auf Eigentum zu ermöglichen. Diese würden mit Mietzahlungen im Laufe ihres Lebens Wohnungen mehrfach abbezahlen. Sie werden aber von der Eigentumsförderung überhaupt nicht erreicht. Hier müssten grundlegend neue Möglichkeiten eröffnet werden.

Und jetzt?

Eberhart erklärte abschließend, dass in seinen Augen nichts für das Vorhaben der Initiative spräche. Viele ihrer Forderungen würden bereits durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen umgesetzt, ohne dass das den Steuerzahler etwas koste. Die übrigen Vorschläge brächten hohe Kosten, aber kaum Nutzen. Viel sinnvoller seien Maßnahmen zur Senkung der Baukosten.

Taheri forderte den Senat auf, die Gelegenheit zu ergreifen und sich für bezahlbaren Wohnraum im Sinne des Gesetzesvorschlages der Initiative Berliner Mietenvolksentscheid einzusetzen. Ansonsten werde die Initiative im Frühjahr 2016 die 175.000 erforderlichen Stimmen in Berlin sammeln.

Text: Matthias Bannas und Dr. Felix Hardach

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer

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