Die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Am 13. April diskutierten in Berlin-Mitte: Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und General a.D. Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur, beim Berliner Pub Talk @Wahlkreis über die Ausstattung der Bundeswehr. Die Moderation übernahm Alan Schapke von den Berliner Redekünstlern. Die Veranstaltung war eine Zusammenarbeit mit dem Wahlkreis e.V., dem Netzwerk für überparteiliche Verständigung.

 

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Berliner Pub Talk zur Rüstungspolitik – von links: Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, Moderator Alan Schapke und General a.D. Harald Kujat / Foto von Andrea Tschammer

Aufgaben der Bundeswehr

Die Aufgabe der Bundeswehr ist die wirksame militärische Landesverteidigung, erklärte Kujat. Heute ist Bündnisverteidigung zugleich Landesverteidigung, früher war das umgekehrt. „Seit der Neuausrichtung sind Struktur, Personal und Ausrüstung rein auf Peacekeeping-Missionen und Auslandseinsätze ausgerichtet“, so Kujat. Das entspricht weder dem Grundgesetz noch dem „Strategischen Konzept“ der NATO. Bartels machte deutlich, dass nach Ende des Kalten Krieges die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes der Bundeswehr zur Bündnisverteidigung als sehr unwahrscheinlich erachtet wurde. Diese Einschätzung hat sich mit den Krisen in Georgien und der Ukraine geändert.

Ausstattung der Bundeswehr

Die Neuausrichtung hat sich in der Ausstattung der Bundeswehr niedergeschlagen. Mit den verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) zur Neuausrichtung der Bundeswehr im Jahr 2011 wurde von einer Vollausstattung der Bundeswehr Abstand genommen, so Kujat. Das bedeutet, vom erforderlichen Material ist nicht mehr 100 Prozent, sondern nur noch 70 Prozent vorhanden. Für 30 Prozent der Truppe sei kein Material für Übungen vorhanden und bei Auslandseinsätzen käme natürlich das beste Material zum Einsatz. Dort sei die Belastung aber auch besonders groß, was sich wiederum in der Reparaturanfälligkeit niederschlägt. Irgendwann ist dann bei zu wenig Geld für die Materialerhaltung der Punkt erreicht, wo es nicht mehr weiter geht. Hinzu käme das selbst bei Auslandseinsätzen – wie zum Beispiel in Mali – Material zum Einsatz käme, dass den Aufgaben der Truppe überhaupt nicht gerecht werde. „Es ist von allem zu wenig da“, machte Bartels deutlich.  „Bundeswehr nach Kassenlage geht nicht. Die Aufgaben wachsen. „Soll“ und „Ist“ dürfen nicht immer weiter auseinanderklaffen, materiell nicht und personell nicht“, so Bartels.

Ungeschminkte Meldungen

Auf eine Frage aus dem Publikum, ob die Mängel von der Truppe gemeldet würden, antwortete Bartels, das „nach oben schön melden“ in der Vergangenheit verbreitet gewesen sei. Es gebe aber einen Trend zur „ungeschminkten Wahrheit“. Kujat kritisierte, dass in der Vergangenheit häufig „ebenengerecht“ gemeldet worden sei. Hinzu käme in Deutschland der Wehrbeauftragte, der immer für die Soldaten ansprechbar sei.

Mehr Investitionen

Bartels wies darauf hin, dass die Verteidigungsausgaben aktuell 1,18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen (BIP). Die Bundesregierung hätte sich gegenüber der Nato zu einem Anstieg auf 2 Prozent verpflichtet. Ein weiteres Absinken der BIP-Quote müsse schon deshalb verhindert werden. Nach Bartels Einschätzung sei mindestens ein Verteidigungshaushalt von 1,3 bis 1,4 Prozent erforderlich. Kujat sprach sich für eine jährliche Steigerung um 0,1 Prozent – also 3 Milliarden. Euro – aus, bis 1,5 Prozent vom BIP erreicht seien. 2 Prozent erachteten Bartels und Kujat als unrealistisch.

Ein Teilnehmer kritisierte, dass der Verteidigungsetat unter Minister de Maiziere nicht ausgeschöpft worden ist, insgesamt fünf Milliarden Euro über mehrere Jahre seien verfallen. Kujat antwortete, dass immer nur entsprechend des Etats Rüstungsprojekte geplant worden seien. Da jedoch 30 Prozent der Projekte nicht realisiert worden sind, ist immer eine Lücke entstanden. Darum müssten 130 Prozent geplant werden, damit am Ende 100 Prozent realisiert werden können. Bartels machte deutlich, dass andere Länder ähnliche Probleme hätten wie Deutschland. Auch in den USA werde viel Geld verbrannt und auch dort gebe es erhebliche Zeitüberschreitungen bei Rüstungsprojekten. Fehlentscheidungen hätte es auch bereits vor de Maiziere gegeben, zum Beispiel bei zu Guttenberg, für den die Schuldenbremse der oberste Parameter für die Bundeswehrreform gewesen sei.

Europäische Zusammenarbeit

Neben einer besseren Ausstattung der Bundeswehr könnte die Stärkung der europäischen Zusammenarbeit zu mehr Leistungsfähigkeit führen. Kujat sah das kritisch. Ein reiner Austausch von Truppenteilen der EU-Mitglieder stärke nicht die Kampfkraft. Sinnvoller sei es innerhalb der NATO Fähigkeiten zu bündeln, zum Beispiel im Rahmen der NATO Responce Force oder auf europäischer Ebene in der EU Battlegroup. Bartels begrüßte die zunehmende europäische Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung. Insgesamt verfüge Europa über eine größere Truppenstärke als die USA und Russland, nur eben verteilt auf 28 Staaten. Die Kleinstaaterei ist teuer und nicht effizient. Das eröffne erhebliche Chancen zur Zusammenarbeit. Darum müsse Europa von der Duplizierung von Fähigkeiten wegkommen. Es gebe bereits Beispiele, wo das sehr gut funktioniert. Erst am Ende des Prozesses sei es sinnvoll, über eine gemeinsame europäische Armee zu sprechen. Davon sei man noch weit entfernt.

Und in Zukunft?

Die Bundesregierung hat sich zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr bekannt. Das begrüßten Bartels und Kujat. Sie waren sich einig, dass die Soldaten – trotz aller Mängel bei der Ausrüstung – immer ihren Job sehr gut gemacht hätten. Die Bundeswehr erfahre international für ihre Soldaten eine sehr hohe Wertschätzung. Darum hätten sie die bestmögliche Ausrüstung verdient.

Matthias Bannas und Alan Schapke

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer

 

 

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