Auch in dieser Legislaturperiode des Bundestages wird über Lobbyismus diskutiert. Sebastian Frevel, Geschäftsführender Gesellschafter bei von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft mbH & Co KG und Sebastian Herlt, Policy Advisor beim WWF Deutschland, haben das Thema beim Berliner Pub Talk am 26. April aufgegriffen. Pascal Heymann hat moderiert.

Von links: Sebastian Frevel, Pascal Heymann und Sebastian Herlt

In der Lobby des Reichstages warten Interessenvertreter von Unternehmen und Verbänden auf Politiker, um sie zu beeinflussen. Dies ist wohl die ursprünglichste Form der politischen Interessenvertretung. Von Online-Campaigning bis zum Sponsoring bei Parteitagen, das Spektrum der Maßnahmen ist genauso vielfältig wie das bunte Feld der Lobbyisten selber. Das erstreckt sich von Wirtschaftsverbänden über Gewerkschaften bis hin zu NGOs, Unternehmen und Agenturen.

Was tun?

Herlt forderte mehr Transparenz bei der politischen Interessenvertretung. Diese müsse effektiv gestaltet sein. Maßnahmen wie ein Lobbyregister oder ein Fußabdruck bei der Gesetzgebung seien zwar auch nicht die Lösung für alle Probleme, sie seien aber geeignete Maßnahmen und damit zeitgemäß, um das Vertrauen in demokratischen Entscheidungen und unser parlamentarisches System zu stärken. Die Aserbaidschan-Affäre um die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz habe erneut deutlich gemacht, dass hier vieles im Argen liegt. Frevel antwortete, dass der Fall Strenz ein Beispiel dafür sei, dass das die öffentlichen Kontrollsysteme funktionieren. Ein Regelverstoß, der jetzt geahndet wird. Die Informationen zu dem Fall liegen vor und die Medien hätten sie für die Öffentlichkeit aufbereitet. Auch ansonsten gilt, dass Dokumente und Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorhaben – in der Regel – öffentlich gemacht werden, auch aus einem Eigeninteresse der Lobbyisten heraus. Für ihn als Geschäftsführer einer Beratungsagentur sei es selbstverständlich bei Gesprächen mit Politikern zu sagen, für wen er arbeitet. Zwar gebe es bei Lobbykritikern ein Bedürfnis nach einem Lobbyregister und einem legislativen Fußabdruck. Man könne das auch einführen. Ändern würde sich dadurch in der Praxis wenig. Es handele sich um eine Scheindebatte.

Wirtschaft und NGOs

Das Thema Kohleausstieg und die aktuelle Diesel-Debatte zeige, dass es erforderlich ist, dass NGOs auch mal kommunikativ über der Stränge schlagen, damit Politiken verändert werden können, so Herlt. Viele NGOs setzen sich für Kollektivgüter ein, wie eine intakte Natur oder saubere Luft, von denen alle Mitglieder einer Gesellschaft profitieren können. Gleichwohl wisse man von der wissenschaftlichen Forschung, dass gerade besonders spitze und klare Interessenanliegen größere Erfolgschancen beim politischen Problemverarbeitungsprozess haben, als dies bei eher grob definierten, gemeinwohl-orientierte Anliegen der Fall ist. Frevel kritisierte, dass NGOs zu stark auf Emotionen setzen und zum Teil auch Fakes verbreiten. Spenden seien teilweise handlungsleitend.

Wirtschaftsverbände wie der VDA (Verband der Automobilindustrie) hätten viel höhere Budgets als die NGOs und könnten damit mehr Einfluss ausüben, erklärte Herlt. Ein Josef Ackermann könne seinen Geburtstag im Kanzleramt feiern. Das sei für NGO-Vertreter nicht möglich. Interessen sind nicht gleichwertig organisiert und vertreten. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiteten laut Herlt mit wesentlich knapperen und fluktuierenden Ressourcen als dies viele Ihrer Kollegen und Kolleginnen von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen tun, da sie über kein externes Kerngeschäft verfügten. Das gesellschaftliche und mediale Mobilisieren gegen politische Missstände und gesellschaftlich Probleme sei daher ein wichtiges Werkzeug, um diese Ungleichheit in der Organisationsfähigkeit und Mittelausstattung aufzuwiegen.

Lobbyismus oder schlechte Politik?

Ist Dieselgate ein Beispiel für zu viel Macht von Lobbyisten oder für schlechte Politik? Herlt wies auf die engen Verbindungen der Vertreter der Automobilindustrie und wichtiger politischer Entscheidungsträger hin. Eine angemessene politische Reaktion auf die Betrügereien sei nicht erfolgt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) habe mit ihrem – in der Breite unpopulären Vorgehen – Bewegung in ein Thema gebracht, bei dem jahrelang, politischer Stillstand herrschte, obwohl die Probleme bekannt waren. Die sozialen Folgen von möglichen Fahrverboten gehen auf das Konto der regierenden Politik. Frevel antwortete, dass jede NGO ihre Berechtigung habe, aber auch eine DUH kritisch betrachtet werden müsse. Bei Dieselgate tut sich die Bundesregierung schwer, angemessen auf Betrügereien der Automobilindustrie zu reagieren. Das sei vielleicht schlechte Politik oder Politikversagen, habe aber wenig mit Lobbyismus zu tun. Es geht ja gerade nicht darum, dass Rahmenbedingungen durch Lobbyarbeit passend gemacht wurden, sondern dass versucht wurde, bestehende Gesetze technisch zu umgehen.

… und die Bundestagsabgeordneten?

Die Bundestagsabgeordneten sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Sie entscheiden selber, ob sie alle ihre Termine öffentlich machen oder nicht, erklärte Frevel. Am Ende entscheiden die Wähler, wem sie das Vertrauen schenken und wie viel Offenheit sie sich wünschen. Herlt antwortete, dass klar das Entscheidungsprimat der Politik gilt, welche entscheidet wie sie die Eingaben der Interessengruppen gewichtet, aber trotzdem nichts gegen eine Angleichung der deutschen Lobbyismus-Regulierung an die aktuellen Vorgaben des Europäischen Parlamentes oder Europäischen Kommission spreche. Im Zeitalter der Digitalisierung wäre dies zumindest zeitgemäß. Frevel ergriff das letzte Wort: „doch, das freie Mandat spreche dagegen“.

Matthias Bannas und Pascal Heymann

Impressionen der Veranstaltung – alles Fotos von Andrea Tschammer