Solange wie es Politik gibt, wird es auch Lobbyismus geben. Genauso verhält es sich mit der öffentlichen Debatte über Lobbyismus. Diese hat nun auch den Berliner Pub Talk erreicht. Sebastian Frevel von der Unternehmensberatung Advicepartners und Halina Wawzyniak MdB, rechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von die Linke, stellten sich der Debatte. Moderiert hat Alexander Schröder.
Alle tun es
Beim Deutschen Bundestag sind 2.161 Organisationen in der Lobbyliste registriert. Dazu zählen Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und NGOs (z.B. Greenpeace, Rotes Kreuz oder Amnesty International). Organisationen, die sich registrieren, erhalten mit einem Hausausweis Zugang zum Bundestag und werden in die Gesetzgebungsarbeit eingebunden. Nicht registriert sind unter anderen Agenturen, Wissenschaftler, Stiftungen und Rechtsanwälte. Wawzyniak erklärte, dass Lobbyismus etwas vollkommen Normales sei. Die Abgeordneten entscheiden selber, welcher Organisation sie wie viel Aufmerksamkeit schenken. Ihr sei es besonders wichtig, kleine NGOs einzubeziehen, wie zum Beispiel Arbeitslosen- oder Flüchtlingsinitiativen. Frevel machte deutlich, dass die Berater wie er eine Dienstleistung erbringen, für die ein Markt vorhanden sei. Von einem Düngemittelhersteller könne niemand erwarten, dass dieser über Politik Bescheid wisse. Diese Unternehmen seien darauf angewiesen, dass sie Unterstützung von Dienstleistern erhalten. Das sei vollkommen legitim.
Wer schreibt die Gesetze?
Im letzten Jahr hat das Recherche-Netzwerk Lobbyplag nachgewiesen, dass in dem Bericht zur EU-Datenschutzverordnung viele Textbausteine aus Stellungnahmen von Unternehmen und Verbänden eingeflossen sind. Auch in einem Arzneimittelgesetz aus dem Jahr 2010 wurden Textbausteine von Pharmaverbänden übernommen. Frevel wies darauf hin, dass die Stellungnahmen aus denen die Textbausteine stammen öffentlich vorlägen. Jeder interessierte Bürger könne diese Stellungnahmen nachlesen. Es sei Aufgabe der Medien, die Zusammenhänge zu recherchieren und für die Bürger aufzuarbeiten. Wawzyniak erklärte an Hand des Beispiels der Störerhaftung, wie ihre Fraktion mit Unterstützung der Organisation Digitale Gesellschaft einen Gesetzentwurf ausgearbeitet habe. In einem Abstimmungsverfahren wurden auch Textbausteine der Organisation übernommen. Diese seien aber gekennzeichnet. Das sei eine mögliche Lösung.
Karenzzeiten und Seitenwechsel
Viel öffentliche Aufmerksamkeit hat der geplante Wechsel des ehemaligen Entwicklungshilfeministers Dirk Niebel zum Rüstungskonzern Rheinmetall erregt. Frevel stellte grundsätzlich den Sinn und Zweck solcher Wechsel in Frage. Ist ein ehemaliger Minister wirklich immer der beste Unternehmensvertreter im politischen Berlin? Das sei in Anbetracht der hohen Gehälter zumindest fraglich. Wechsel von Lobbyisten in die Bundesministerien – wie im Falle Gerd Billens, seit dieser Legislaturperiode Staatssekretär im Bundesjustizministerium und zuvor Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) – seien unproblematisch. Vielmehr würde das Ministerium durch den Wechsel solcher Spezialisten Kompetenz hinzugewinnen. Wawzyniak schlug vor, dass ein Wechsel in die Wirtschaft für Minister und Abgeordnete erst nach Auslaufen des Übergangsgeldes möglich sein sollte. Dem Vorschlag aus dem Publikum, das Übergangsgeld für Abgeordnete und Minister zu streichen, erteilte sie eine Abfuhr. Es sei nicht gut für die Qualität von Politik, wenn diese unter Existenzangst gemacht werde.
Spenden und Sponsoring
Die Linke spricht sich gegen Sponsoring von Parteitagen und Parteispenden von Unternehmen und Verbänden aus. Mit finanzieller Unterstützung sei auch Einfluss auf die Parteien verbunden. Hinzu käme, dass die Unternehmensspenden auch von den Arbeitnehmern erwirtschaftet worden seien. Deren politische Einstellung sei womöglich gar nicht mit den Empfängern der Spenden vereinbar. Frevel wies darauf hin, dass über die großen Unternehmensspenden in den Aufsichtsräten entschieden werde. Dort säßen die Arbeitnehmervertreter mit im Boot und entschieden auch mit.
Schnittchen-Events
In den Sitzungswochen des Deutschen Bundestages finden in Berlin etliche politische Veranstaltungen statt. In der Beurteilung dieser Veranstaltungen waren sich Frevel und Wawzyniak einig. Wawzyniak erläuterte, dass von ihrem Büro alle Einladungen zu Veranstaltungen aussortiert werden, die mit Essen und Trinken in festlichem Rahmen einhergingen. Diesbezüglich bestehe kein Unterschied zwischen Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften. Auch die Gewerkschaften verfügen über viel Geld. Frevel wies darauf hin, dass der Ertrag bei solchen Veranstaltungen sehr gering sei. Nur selten seien dort relevante Informationen zu erhalten.
Und wie geht nun gutes Lobbying?
Frevel erzählte, dass es gar nicht so schwer sei, einen Termin bei politischen Entscheidern zu erhalten. Viel schwerer sei es, dabei auch eine gute Figur zu machen. Darum sei die Vorbereitung der Termine besonders wichtig. Der Zeitpunkt müsse stimmen. Informationen und Positionen müssen dann bereit gestellt werden, wenn sie relevant sind. Neben dem Eigeninteresse müsse auch der Mehrwert für das Allgemeinwohl deutlich sein. Wawzyniak wies darauf hin, dass viele Gespräche auch nur der Information dienten. Hier unterschieden sich die kleinen Bundestagsfraktionen von den großen, die für jedes Thema Spezialisten hätten.
Matthias Bannas und Alexander Schröder / alle Fotos Andrea Tschammer
Twitter @matthiasbannas
Erstveröffentlichung in der Pankower Allgemeinen Zeitung
Impressionen der Veranstaltung