Der Flughafen Tegel ist bereits einige Jahre länger im Betrieb als geplant. Nun wird mit einem Volksbegehren das Ziel verfolgt, den Flughafen auch nach Eröffnung des BER offen zu halten. Hierzu diskutierten Sebastian Czaja, Generalsekretär und FDP-Spitzenkandidat bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und Mitinitiator des Volksbegehrens, mit Robert Ide, Leiter der Berlin/Brandenburg-Redaktion des Tagesspiegels und Holger Lück, „Bürgerinitiative Tegel endlich schließen!“, beim Berliner Pub Talk am 9. Juni. Die Veranstaltung wurde von Irene Waltz-Oppertshäuser moderiert.
Worüber wurde diskutiert?
Am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) wird noch gebaut. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass er bei der Eröffnung zu klein sein wird. Das ist Anlass für ein Volksbegehren zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Aber ist der Flughafen Tegel überhaupt noch zeitgemäß? Er wurde 1974 für 2,5 Millionen Passagiere jährlich geplant. Im letzten Jahr waren es mehr als 21 Millionen Passagiere und die Zahlen steigen weiter. Ist Tegel deshalb bereits ein Sicherheitsrisiko? Den Preis für den Flugbetrieb – insbesondere durch den Fluglärm – zahlen die Anwohner in den umliegenden, einwohnerstarken Bezirken. Sollte Tegel möglichst schnell geschlossen oder weiterbetrieben werden?
Die Rollen bei der Diskussion waren klar verteilt. Während Czaja sich für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel stark machte, forderte Lück die TXL-Schließung nach der BER Eröffnung. Ide wies darauf hin, dass der Flughafen Tegel unter den Lesern des Tagesspiegels viele Sympathisanten habe, die Vernunft spreche aber für eine Schließung. In der Redaktion des Tagesspiegels gebe es ganz unterschiedliche Meinungen zum Thema.
Kapazitäten in Berlin
Die Prognose von Czaja, dass Berlin im Jahr 2030 mit 60 Millionen Flugpassagieren im Jahr rechnen müsse, wurde von Lück nicht geteilt. Der Flugverkehr werde – auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes – nicht beliebig weiter wachsen, momentan finde vor allem ein Verdrängungswettbewerb der Low Cost Airlines gegen Air Berlin Lufthansa statt, deshalb können die momentanen Zuwächse nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden. Dass die derzeitig vorhandenen Kapazitäten am Flughafen BER nicht ausreichen, war aber unstrittig. Ide wies darauf hin, dass der Berliner Senat zurzeit keinen zusätzlichen BER-Ausbau in Angriff nehmen würde. Lück erklärte, dass ähnlich wie in London-Heathrow es auch beim BER möglich sei, bis zu 60 Millionen Passagiere mit 2 Start- und Landebahnen zu versorgen. Der BER-Planfeststellungsbeschluss gebe dazu genug Raum. Czaja äußerte da seine Zweifel und wies darauf hin, dass der BER und London-Heathrow, über den vorwiegend Langstreckenverkehr abgewickelt werde, nicht zu vergleichen seien. Überdies sei dort die Fluglärmbelastung viel größer, weil die Flugzeuge in vier Flugschleifen über der Stadt kreisen.
… und in Tegel?
Ohne die nachträglich angebauten Extraterminals („Blechbüchsen“) können auch in Tegel nur maximal fünf Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt werden, so Lück. Tegel wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zu klein und im Betrieb zu teuer. Der im Vergleich immer wieder genannte Londoner City Airport könne nur fünf Millionen Passagiere abfertigen. Die verkürzte Startbahn sei nur für Kleinflugzeuge zugelassen. Hinzu kämen eine Schließung am Wochenende und ein striktes Flugverbot von 21.30 Uhr bis 6.30 Uhr. Czaja warb für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel mit deutlich weniger Flügen als heute und einem strengen Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr. Damit könnten die Belastungen durch den Flugverkehr besser verteilt werden. Zudem seien Flugzeuge heute leiser als früher.
Verlustgeschäft Flughäfen?
Zurzeit macht Berlin mit dem Flughafen Tegel Gewinn. Ob sich der Flughafen aber weiterhin für die Stadt rechnet oder ob Berlin am Ende zwei Flughäfen mit Verlust betreiben würde, ist offen. Lück wies darauf hin, dass bei einem Weiterbetrieb auch in Tegel erheblicher Investitionsbedarf bestünde. Von den Toiletten angefangen seien viele Einrichtungen des Flughafens marode oder „pure Provisorien“. Das sei aber das geringste Problem, meinte Czaja. Er kritisierte, dass die Toiletten des Flughafens Tegel mehr Aufmerksamkeit erhalten, als die Toiletten in den Berliner Schulen. Ein viel größerer Posten sind die Aufwendungen für Lärmschutz, auf den die Anwohner ab 2017 einen Rechtsanspruch haben.
Fluglärm
Mehrere Teilnehmer der Veranstaltung kritisierten die massive Fluglärmbelastung in den Einflugschneisen des Flughafens Tegel. Doch nur mit Lärmschutz sei ihnen nicht geholfen, weil auch Balkons und Gärten nicht genutzt werden können. Czaja wies darauf hin, dass ab 2017 ein Anspruch auf Lärmschutz bestehe. Es wäre aber absurd, Geld in Lärmschutz zu investieren und dann den Flughafen zu schließen. Lück antwortete, dass auch mit Lärmschutz für eine umgrenzte Zahl an Anwohnern in geschlossenen Räumen die gesundheitliche Belastung durch Fluglärm bleibe. Ide fügte hinzu, dass man den Bürgern in Spandau, Reinickendorf, Wedding, Pankow und Weißensee versprochen habe, das sie in Zukunft in Ruhe leben können. Insgesamt seien die Signale dazu, wie attraktiv das Wohnen in Flughafennähe ist, aber widersprüchlich. So steigen in Schönefeld die Preise für Wohnbauland.
Sicherheit
Es bestehen erhebliche Sicherheitsrisiken durch den Betrieb des Flughafens Tegel, erklärte Lück – drauf bezögen sich explizit der BER-Planfeststellungsbeschluss und das entsprechende Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes. Durch das hohe Flugaufkommen über einem dichtbesiedelten Gebiet entstehen Absturzrisiken. Kerosin werde mit LKWs durch die Stadt gefahren. Ob Tegel ausreichend gegen Terror geschützt sei und heute überhaupt eine Genehmigung erhalten würde, bezweifelte er. Czaja antwortete, dass Tegel nach Prüfungen alle Sicherheitsstandards erfülle. Zudem wies er darauf hin, dass Tegel nach Angaben der Flughafengesellschaft selbst für das europäische Sicherheits-Zertifikat tauglich sei.
… und wie geht es weiter?
Wie man es dreht oder wendet, landet die Diskussion zu Tegel bei der Frage, ob ein Weiterbetrieb des Flughafens überhaupt rechtlich möglich ist. Hier waren die Kontrahenten erwartungsgemäß unterschiedlicher Auffassung. Ide wies abschließend darauf hin, dass die politischen Entscheider – unabhängig von juristischen Fragen – den Willen des Wählers bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Das gelte auch für Volksbegehren.
Matthias Bannas und Irene Waltz-Oppertshäuser
Weitere Berichte zur Veranstaltung: hier aus dem Tagesspiegel und der BZ .