Für die Piratenpartei und die FDP stellt sich die Frage, wie der Erfolg wieder zurückkommt. Hierzu diskutierten Konstantin Kuhle, der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), der Jugendorganisation der FDP, und Anita Möllering, die Bundespressesprecherin der Piratenpartei, beim Berliner Pub Talk am 28. Mai. Die Veranstaltung wurde von Manuela Stamm moderiert.
Umfragen?
Mit den Wahlerfolgen in Bremen und Hamburg,sowie Umfragewerten oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde, steht die FDP aktuell besser da als die Piratenpartei. Kuhle warnte ausdrücklich davor, diese Umfragen zu überbewerten. Genauso schnell wie eine Partei von den Medien hochgeschrieben werde, könne sie auch wieder runtergeschrieben werden, wenn die Werte nach unten gehen. Umfragen seien nur Momentaufnahmen. Um Erfolg zu haben, sei aber ein langer Atem erforderlich.
Der Piratenpartei ist es 2014 gelungen, mit Julia Reda eine Abgeordnete in das Europäische Parlament zu schicken. Die letzten Wahlerfolge der Partei auf Länderebene liegen aber bereits drei Jahre zurück. In den Umfragen werden die Piraten aktuell bei den sonstigen Parteien geführt. Das führe dazu, dass das Medieninteresse abnehme, so Möllering. Hier teilen die Piraten das Schicksal der anderen Parteien, die nicht selber in den Umfragen ausgewiesen werden. Dennoch habe die Partei immer noch gute Chancen, den Trend bis zur nächsten Bundestagswahl zu drehen.
Themen; Digitalisierung oder 360 Grad?
Möllering erklärte, dass die Digitalisierung auch bei den etablierten Parteien angekommen sei. Allerdings werden diese dem Thema in seiner Tiefe und Bedeutung nicht gerecht. Das zeige sich aktuell bei der BND-Affäre. Die Auswirkungen der Digitalisierung seien gravierender als die der industriellen Revolution. Sie betreffe alle Lebensbereiche. Darum werden die Piraten die Digitalisierung auch weiterhin ins Zentrum rücken. David Issmer wies darauf hin, dass es den Piraten nicht gelungen sei, vom aktuellen NSA-Skandal zu profitieren.
Bei der FDP stehe kein Thema ganz allein im Zentrum, sondern viel mehr der Grundsatz auf Chancen zu setzen, anstatt Risiken zu beklagen. Das gelte, so Kuhle, auch für Menschen, deren Lebenssituation von der Gesellschaft mitunter skeptisch betrachtet werde: Flüchtlinge, Studienabbrecher oder Strafgefangene. Diese hätten sehr viel Potenzial. Es gelte aber auch für gesellschaftliche Trends wie der demographische Wandel oder die Digitalisierung. Die FDP sehe ihre Aufgabe nicht in der Durchsetzung der Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen, sondern verstehe sich als Partei mit einem 360 Grad Blick und der Ausrichtung am Gemeinwohl.
Auch Apotheker verlangen von einer Partei, dass sie auf allen Politikfeldern – wie zum Beispiel der Umweltpolitik – vertreten sei und sowie Lösungen als auch kompetente Politiker im Angebot habe.
Felix Hardach meldete leise Zweifel an, ob die FDP wirklich auch eine Partei für Hartz-IV-Empfänger sei.
Personalisierung und Köpfe
Um den Bürgern Politik zu vermitteln, braucht es Menschen. Kuhle wies darauf hin, dass es für kleine Parteien wichtig sei, mit mehr als einer Person in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Nur sei es besser mit Christian Lindner in einer Fernsehtalkshow vertreten zu sein, als gar nicht vertreten zu sein. Die FDP müsse weitere Persönlichkeiten aufbauen. Das sei mit Katja Suding und Lencke Steiner gelungen. Es sei überhaupt nichts ungewöhnliches, das die FDP zwei Spitzenkandidatinnen hintereinander ins Rennen geschickt hätte. Vielmehr sei es etwas ganz normales, wenn Frauen für Spitzenpositionen kandidieren.
Auch den Piraten sei es beim Europawahlkampf gelungen, klare Spitzenkandidaten festzulegen und diesen auch persönlichen Entscheidungsspielraum einzuräumen, erläuterte Möllering. Das hätten auch die anderen Kandidaten akzeptiert. Grundsätzlich hätten die Piraten ein viel stärkeres Misstrauen gegenüber Mandatsträgern und Funktionären, als dieses in anderen Parteien der Fall sei. Das mache es schwerer, Politik zu personalisieren; sprich zu einzelnen Politikfeldern Experten aufzubauen.
Brauchen wir kleine Parteien?
Hier waren sich beide Experten einig. Möllering erklärte, dass CDU/CSU und SPD kaum noch zu unterscheiden seien und dass wichtige Themen wie die Digitalisierung am besten von kleinen Parteien – wie von den Piraten –vorangetrieben werden. Kuhle wies darauf hin, dass die beiden großen Volksparteien in den letzten Jahren viele Mitglieder verloren hätten. Einem Drittel der Wähler haben bei der letzten Bundestagswahl die kleineren Parteien gewählt.
Fazit; was gelernt?
FDP und Piraten sind unterschiedliche Parteien, die sich aber nicht nur ähnliche Fragen stellen sondern auch vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Der FDP ist – unter anderem mit neuen Köpfen – eine Trendumkehr gelungen. Ob das auch den Piraten gelingt, wird sich spätestens bei der Bundestagswahl 2017 / #btw17 zeigen.
Kuhle wies darauf hin, dass nicht nur die FDP sondern alle Parteien vom Vorbild der Piraten bei der Online-Beteiligung von Mitgliedern profitiert hätten. Das unterstrich Richard Siebenhaar.Möllering machte deutlich, dass die Piraten sich sehr stark von den etablierten Parteien abgrenzen. Sie sehe den Austausch als Chance.
Text: Matthias Bannas & Manuela Stamm
Alle Fotos von Andrea Tschammer
Impressionen der Veranstaltung