Am 26. Februar 2015 wurde beim Berliner Pub Talk über TTIP, das geplante Handelsabkommen zwischen Europa und den USA, diskutiert. Rede und Antwort standen Dieter Janecek MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Dr. Stormy-Annika Mildner, Leiterin der Abteilung Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Moderiert hat Georg Preller.

DSC01308neu

TTIP beim Berliner Pub Talk – vorne von rechts: Dr. Stormy-Annika Mildner (BDI), Moderator Georg Preller und Dieter Janecek MdB / Foto Andrea Tschammer

Es hätte ein heißer Donnerstagabend werden müssen, so wie das Thema in den vergangenen Wochen in der Presse behandelt wurde. Wir erwarteten einen harten argumentativen Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern. Doch es kam ganz anders. Die gemeinsame Stunde war ein konzentriertes Gespräch. Die beiden Gesprächspartner erklärten fundiert, was Ihnen an TTIP liegt und wo sie Gefahren und Risiken sehen.

Wie wird verhandelt?

TTIP wird zwischen der Europäischen Kommission und dem Handelsbeauftragten der USA verhandelt. Am Ende müsse nicht nur das Europäische Parlament sondern auch die Parlamente der Mitgliedsstaaten dem Abkommen zustimmen, konstatierte Janecek. Bei den Grünen werden unterschiedliche Positionen zu TTIP vertreten. Grundsätzlich habe sich die Partei aber für fairen Freihandel ausgesprochen. Jetzt sei die Zeit der Verhandlung über das Abkommen. Darum kämpfe er jetzt für bessere ökologische Standards. Erst wenn das Abkommen vorliege, sei es an der Zeit über eine Zustimmung oder eine Ablehnung zu entscheiden.

Dr. Mildner machte auf Nachfrage von Steffen Pick deutlich, dass TTIP nach Unterzeichnung bindend sei. Änderungen seien dann nicht mehr möglich, es sei denn, ein neues Abkommen wird ausgehandelt oder einzelne Staaten verlassen die europäische Gemeinschaft. Bei Verstößen gegen das Abkommen könne vor den zuständigen internationalen Gerichten geklagt werden.

Normen, Standards und Rahmenbedingungen

Nicht nur große internationale Unternehmen sondern auch der Mittelstand hätten ein großes Interesse an TTIP. Frau Dr. Mildner berichtete von einem deutschen Sportartikelhersteller, der nicht auf dem amerikanischen Markt aktiv ist, weil komplett neue Produktlinien erforderlich wären. Das lohne sich unter den aktuellen Umständen nicht.

Ob das amerikanische Chlorhuhn besser oder schlechter ist als das europäische Antibiotika-Huhn, sei zumindest fragwürdig, erklärte Janecek. Eine Übertragung amerikanischer Gentechnik-Standards lehne er ab.  Allerdings könnten auch die milliardenschweren Subventionen für fossile Energieträger in Europa als Wettbewerbsverzerrung bei den TTIP-Verhandlungen zur Disposition stehen. Besonders wichtig seien die Regeln zur digitalen Wirtschaft, deren Verhandlung noch anstehe. Wenn die Europäer nicht aufpassen würden, hätten deutsche Start-Ups aus Berlin am Ende überhaupt keine Chancen mehr gegen Amazon, Google, Facebook und Co.

Dr. Mildner wies auf das Kapitel zu Arbeits-, Öko- und Nachhaltigkeitsstandards hin, das noch verhandelt werden müsse. Hier sei es möglich, dass am Ende strengere Standards festgelegt werden.

Werden iPhones und Levis-Jeans jetzt billiger?

„Welche Auswirkungen hat TTIP am Ende auf den Verbraucher in Europa? Sinken die Preise für amerikanische Produkte wie iPhones oder Levis-Jeans“, fragte Alexander Schröder. Janecek antwortete, dass Zölle für Bestellungen in den USA vermutlich nicht mehr anfallen würden. Damit steige im Online-Handel der Wettbewerbsdruck. Ob das auch zu sinkenden Preisen führen würde, könne aber niemand garantieren. Dr. Mildner ergänzte, dass es nicht absehbar sei, wie die Unternehmen mit den Kostenvorteilen umgehen würden. Denkbar wären auch Investitionen in Forschung und Entwicklung. Auch dies würde dem Konsumenten zugutekommen, beispielsweise durch neue und bessere Produkte.

Braucht es Schiedsgerichte für Investorenschutz?

Investorenschutz beziehe sich nur auf bereits getätigte Investitionen. Unter Investitionsschutzklauseln werden Investitionen vor entschädigungsloser Enteignung, Diskriminierung und ungerechter und unbilliger Behandlung geschützt, erklärte Dr. Mildner. Es sei Unternehmen nicht möglich, sich in Märkte hinein zu klagen. Dieses gelte zum Beispiel für geschlossene Gesundheitssysteme, wie das in England der Fall ist. In Hinblick auf Klagemöglichkeiten von Unternehmen käme es auf die genauen Formulierungen im Abkommen an. Hier können viele Bereiche ausgeschlossen werden, wie das auch beim Ceta-Abkommen passiert sei. Janecek wies auf die Klagen in Deutschland gegen den Atomausstieg hin. Klagemöglichkeiten gegen politische Entscheidungen seien nicht akzeptabel. Das gelte auch für die Ausgestaltung des Investorenschutzes. Dass ein rechtssicherer Atomausstieg möglich sei, hätte übrigens die letzte rot-grüne Bundesregierung unter Beweis gestellt.

Campaigning und Clicktivism

Bleibt zum Schluss die Frage, warum die Aufregung um TTIP gerade in Deutschland so groß ist. Über eine Million digitaler Unterschriften wurden gegen TTIP bereits gesammelt. Über das Ausmaß waren die Verhandlungspartner durchaus überrascht. Doch es führt dazu, dass das Freihandelsabkommen in der Mitte der Gesellschaft Beachtung findet und intensiv diskutiert wird.

So hat die Emotionalisierung der Debatte seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass sie für die angemessene Aufmerksamkeit sorgt. Der Nachteil ist, dass in weiten Teilen schon Zustimmung oder Ablehnung provoziert wird, obwohl die eigentlichen Inhalte von TTIP noch nicht ausverhandelt sind. Die aktuellen Dokumente sind auf der Webseite der Europäischen Kommission nachzulesen.

Fazit

Janecek warb abschließend für den Zusammenhalt Europas mit den USA. Unabhängig von allen Belastungen in jüngster Zeit – zum Beispiel durch die NSA-Bespitzelung und die Politik der Bush-Regierung – seien Europäer und Amerikaner sich näher, als das bei anderen Ländern der Fall sei. Auch in den USA habe die ökologische Bewegung eine große Bedeutung. Dr. Mildner forderte die Teilnehmer auf, das breite Informationsangebot zu TTIP zur Bildung einer eigenen Position zu nutzen.

Artikel von Matthias Bannas und Georg Preller / alle Fotos Andrea Tschammer

 

Impressionen:

 

DSC01292neu DSC01298neu DSC01405neu