Die DDR-Geschichte ist in Berlin überall präsent. Dennoch nimmt das Wissen über die DDR in der Bevölkerung ab. Aus diesem Grund diskutierten am 14. Juli Hannah Berger, Pressesprecherin der Stiftung Berliner Mauer mit Robert Ide, Leiter der Berlin/Brandenburg-Redaktion des Tagesspiegels und Stefan Liebich MdB, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss für die Bundestagsfraktion Die Linke, beim Berliner Pub Talk zum Thema „DDR-Geschichte besser erzählen – nur wie?“ Moderiert hat Tilman Wickert, Stipendiat bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

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Von rechts: Stefan Liebich, Hannah Berger, Tilman Wickert, Reobert Ide

Geschichte/n erzählen

Wenn Geschichte noch nicht allzu lange in der Vergangenheit zurückliegt, stehen zahlreiche Zeitzeugen zur Verfügung, die ihre Geschichte erzählen können. Einige Geschichten zur DDR wurden beim Berliner Pub Talk erzählt. Unter welchen Rahmenbedingungen und Anreizen Geschichten erzählt werden, wurde intensiv diskutiert. „Geschichte erzählt sich am besten in Geschichten. Die Älteren müssen mehr erzählen, die Jüngeren stärker nachfragen“, so Ide. Er hat im Jahr 2007 in seinem Buch „Geteilte Träume: Meine Eltern, die Wende und ich“ einige Geschichten zur DDR aufgeschrieben. Das Buch war ein willkommener Anlass, nicht nur die eigenen Erlebnisse zu dokumentieren, sondern auch die Eltern nach ihrer Geschichte zu befragen. Oft weren persönliche Geschichten aber nicht dokumentiert. Eine Ursache dafür ist, dass Jüngere nicht genug nachfragen. Konkret nachzufragen ist nicht einfach, wenn es um Erlebnisse in einem schwierigen historischen Umfeld geht. Nach dem zweiten Weltkrieg sei das auch in vielen Familien in der Bundesrepublik der Fall gewesen, erläuterte Axel Graf Bülow. Auch heute werde das Thema oft ausgespart, wenn Westdeutsche und Ostdeutsche zusammentreffen. Ein Teilnehmer erhob die Forderung, dass Menschen selber ihre eigenen Erinnerungen aufschreiben müssten. Nur so würden sie den Nachkommen nicht verloren gehen, was heute viel zu oft passiere.

„Zonenkinder“ und „Das Leben der Anderen“  

In den letzten Jahren sei es immer wieder gelungen, interessante Debatten über die DDR zu führen, machte Liebich deutlich. „Die Geschichte der DDR ist nicht nur die Geschichte einer Diktatur, sondern zugleich auch die Geschichte von über 17 Millionen Menschen. Die kann und sollte man nicht auf Mauer und Stasi, FKK und Trabi reduzieren, so Liebich.“ Filme wie „Das Leben der Anderen“ oder Bücher wie „Zonenkinder“ hätten einen verengten Blick auf die DDR aufgebrochen. Auch mit Aktionen wie die „Lichtgrenze“ konnten Anreize für vielschichtige Diskussionen gesetzt werden. Es sei nicht sinnvoll, die DDR-Geschichte nur auf die Repressionen zu beschränken. Hierzu gebe es ein passendes Zitat von Roland Jahn, dem  Bundesbeauftragten der Stasi-Unterlagen-Behörde: „Auch in der Diktatur scheint die Sonne“.

… und die Mauer?

Alleine die 3.000 Führungen jährlich durch die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße zeigen, wie wichtig die Mauer bei der Vermittlung der DDR-Geschichte ist, erklärte Berger. „Ohne die Mauer lässt sich die Geschichte der DDR nicht erzählen. Die Geschichte der Mauer ist nicht nur die Geschichte eines Bauwerks, sondern die der Menschen, die mit ihr leben mussten“, so Berger. Auch für die Gedenkstätte spiele die Einbeziehung von Zeitzeugen eine ganz wichtige Rolle. Die Geschichten der Zeitzeugen werden dokumentiert, auch auf Video. Es werden aber auch regelmäßig Veranstaltungen mit Zeitzeugen organisiert. Ganz besonders gute Anlässe, um auf die DDR-Geschichte aufmerksam zu machen, seien Gedenktage.

Verankerung in der eigenen Geschichte  

DDR- und BRD-Bürger haben die DDR ganz unterschiedlich erlebt. Viele BRD-Bürger haben insbesondere die Grenzkontrollen noch in sehr schlechter Erinnerung, eine Erfahrung die die meisten DDR-Bürger überhaupt nicht gemacht haben.

Ide hatte die Mauer ständig vor Augen, weil seine Eltern einen Schrebergarten in der Nähe der Mauer hatten. Er schilderte, dass in Gesprächen – je nach Gesprächspartner – Regimekritik geäußert oder vermieden wurde. Ein Beispiel für den Umgang des Regimes mit der Mauer sei, dass aus einem Film, den er zur Entwicklung abgegeben hat, Bilder mit der Mauer im Hintergrund entfernt worden sind.

Liebich ist in Marzahn groß geworden. Dort war die Mauer im Alltag nicht wahrnehmbar. Er war dem Staat gegenüber nicht kritisch eingestellt, sondern hat sich engagiert, zum Beispiel in der FDJ. Er sei damals von der DDR überzeugt gewesen. DDR-kritische Diskussionen habe er damals allenfalls beim Verbot der Zeitschrift Sputnik geführt. Einige ehemalige DDR-Bürger würden sich aber schwer damit tun, zu ihrer Überzeugung in der Vergangenheit zu stehen.

Schuld und Entschuldigung

Monika B. schilderte, dass sie und ihre Familie nach dem Ende der DDR ganz unterschiedliche Erfahrungen mit den ehemaligen Informanten der Staatssicherheit gemacht hätten. Einer hätte sich direkt nach dem Mauerfall selber bekannt und entschuldigt. Einige hätten auf Nachfrage ihre Schuld eingestanden, Andere hätten diese geleugnet.

Neben der Staatssicherheit hätten sich aber auch viele DDR-Bürger schuldig gemacht, zum Beispiel Lehrer oder Betriebsleiter bei der Diskriminierung regimekritischer Schüler oder Mitarbeiter, erklärte Wickert. Das könne Ursache für eine Kollektivscham sein, die es unangenehm mache, über Geschichte zu reden. Ide forderte, dass Täter – auch im Kleinen – zu ihrer Geschichte stehen sollten. Viele wollen damit aber nichts mehr zu tun haben.

Es endet mit dem Mauerfall

Monika B. kritisierte, dass die Geschichte der DDR nach dem Mauerfall zu wenig Beachtung finde. Damals sei auch sehr intensiv über Alternativen zur Wiedervereinigung diskutiert worden. Dafür hätten sich insbesondere die Bürgerrechtsbewegungen stark gemacht. Allerdings hätten die Wähler sich klar für die Wiedervereinigung entschieden, erklärte Ide.

Matthias Bannas und Tilman Wickert

 

Impressionen zur Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer:

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