Am 23. September stand beim Berliner Pub Talk der Lokaljournalismus auf der Agenda. Amir El-Ghussein (Head of Contentdevelopement beim Tagesspiegel), Philipp Schwörbel (Gründer der Prenzlauer Berg Nachrichten und Geschäftsführer bei Krautreporter) und Michael Springer (Herausgeber der Pankower Allgemeinen Zeitung), diskutierten mit dem Publikum über Finanzierungsmöglichkeiten für Lokaljournalismus. Die Veranstaltung wurde von Alexander Schröder moderiert.

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Über Lokaljournalismus diskutieren, von links: Michael Springer (Pankower Allgemeine Zeitung), Moderator Alexander Schröder, Philipp Schwörbel (Prenzlauer Berg Nachrichten) und Amir El-Ghussein (Tagesspiegel) / Foto Andrea Tschammer

 

Worüber muss Lokaljournalismus berichten?

Alle drei Experten waren sich einig, dass lokale Medien mit passenden Geschichten dem Stadtteil gerecht werden müssen, in dem sie zuhause sind. Schwörbel wies auf die besondere Bedeutung der Lokalpolitik hin. Das decken die Prenzlauer Berg Nachrichten unter anderem mit regelmäßigen Berichten aus der Bezirksverordnetenversammlung ab. Sie schreiben nur über Themen aus dem  Prenzlauer Berg. Die Pankower Allgemeine Zeitung greift schon mal überregionale Themen auf, wenn sie von besonderer Bedeutung für die Leserschaft sind. Wichtig seien Themen, die öffentliche Debatten auslösen, wie die Bebauung des Mauerparks. Ein besonderer Schwerpunkt sei die Berichterstattung über Kultur in Pankow. El Ghussein erläuterte, dass der Tagesspiegel eigene regionale Angebote aufbaue; zum Beispiel in Zehlendorf. Auch hier spiele die Politik im Bezirk eine wichtige Rolle. Ziel sei es mit den Bürgern in einen Dialog zu treten. Hinzu kommen Themen die die Menschen vor Ort bewegen, zum Beispiel der Krötenmörder von Zehlendorf.

Finanzierungsmöglichkeiten für Lokaljournalismus

Bei der Diskussion wurde deutlich, dass verschiedene Maßnahmen zum Ziel führen. Die Pankower Allgemeine Zeitung finanziert sich aus unterschiedlichen Quellen; Werbung, Content-Marketing, über die Ankündigung und Berichterstattung für kulturelle Veranstaltungen und über Abos. Der Abo Shop werde gerade neu aufgebaut, erläuterte Springer. Es gebe je nach Bedarf unterschiedliche Modelle für Leser, Kulturinstitutionen oder Politiker. Die Texte verschwinden aber nicht hinter einer Paywall. Das sei für ihn besonders wichtig. Bei den Prenzlauer Berg Nachrichten können die Texte in den ersten drei Wochen nur von den Abonnenten gelesen werden. Diese haben aber die Möglichkeit, Texte über soziale Medien zu teilen. Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt. Darüber sei es gelungen mehr als 700 Abonnenten zu gewinnen. Eine zusätzliche Kampagne sei bereits geplant. Die Prenzlauer Berg Nachrichten sind komplett werbefrei. Im Gegensatz dazu sind die Online-Angebote des Tagesspiegels werbefinanziert. El-Ghussein wies darauf hin, dass die Preise für Display-Werbung unter Druck stünden. Aktuell experimentiere der Tagesspiegel mit dem Online-Kiosk Blendle. Über Blendle können einzelne Artikel direkt an die Leser verkauft werden.   

Kann man davon leben?

Die Abonnenten der Prenzlauer Berg Nachrichten finanzieren eine Vollzeitstelle. Diese Stelle teilen sich mehrere Journalisten und freie Mitarbeiter, erklärte Schwörbel. Springer wies darauf hin, dass einige Angebote der Pankower Allgemeinen Zeitung bereits schwarze Zahlen schreiben, zum Beispiel das Kulturportal. Die Angebote der Pankower Allgemeinen Zeitung an Partner seien so kalkuliert, dass sie den erforderlichen Stundensatz für einen Journalisten in Höhe von 30 Euro erwirtschaften.   

Content-Marketing, Native Advertising und Advertorials

Wie mit PR-Artikeln umgehen? Zu dieser Frage konnte das Podium keine Einigkeit erzielen. Schwörbel lehnte die Veröffentlichung von PR-Artikeln kategorisch ab. Diese würden das Vertrauen in Journalismus untergraben. El-Ghussein wies darauf hin, dass der Tagesspiegel sich auch über Advertorials und gesponserte Links finanziere. Entscheidend sei, dass es für die Leser eindeutig zu erkennen sei, dass es sich nicht um redaktionelle Inhalte handelt sondern um Texte, die eben nicht nach journalistischen Maßstäben geschrieben worden sind. Springer machte deutlich, dass Texte aus fremder Feder und selbst Pressemeldungen wie der Polizeibericht bei der Pankower Allgemeinen Zeitung immer deutlich gekennzeichnet seien. Es handele sich immer um Themen, die auch für die Leser in Pankow relevant seien.  

Wie geht es weiter?

Journalismus wird es auch in 20 Jahren noch geben. In diesem Punkt waren sich alle Teilnehmer einig. Wie dann aber die Medienwelt ausschauen wird, das sei vollkommen offen.

Text: Matthias Bannas und Alexander Schröder

Impressionen zur Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer
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