Was muss getan werden, um die deutsch-russischen Beziehungen zu verbessern? Darüber diskutierte Stefan Liebich MdB, Kandidat der Partei Die Linke für den Wahlkreis Berlin-Pankow und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages mit Denis Mikerin, Pressesprecher der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland und Robert Ide, Leiter der Berlin/Brandenburg-Redaktion des Tagesspiegels, beim Berliner Pub Talk am 27. Juli. Moderiert hat Sabine Gilleßen. Während die Bewertung konkreter Politik – zum Beispiel in der Ukraine – sehr gegensätzlich war, waren sich die Teilnehmer bei den Maßnahmen zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen weitestgehend einig.

Von links: Robert Ide, Sabine Gilleßen, Denis Mikerin und Stefan Liebich

Was tun?

Liebich forderte, die Gesprächskanäle zwischen Deutschland und Russland stärker zu öffnen. Auch der Nato-Russland Rat müsse wieder in die Gänge kommen. Dafür müsse mit der Dämonisierung Russlands endlich Schluss sein. Es sei wichtig, nicht nur tatsächlich sondern auch verbal abzurüsten. Schließlich gebe es auf beiden Seiten viele Repräsentanten, die das wollen. Man müsse zurück zur friedlichen Koexistenz und Sicherheitsfragen – wie zum Beispiel den Kampf gegen den Islamismus – gemeinsam bearbeiten. Mikerin stimmte den Forderungen zu und ergänzte, dass es bereits viele erfolgreiche Initiativen – wenn nicht im politischen, dann im humanitären Bereich – gebe. Das Jahr des Jugendaustausches sei ein großer Erfolg gewesen. Viele junge Erwachsende aus beiden Ländern seien zusammengekommen. Zurzeit werde die Zusammenarbeit der Regionen und Kommunen beider Länder in der gleichen Form gefördert. Er mache immer wieder die Erfahrung, dass normale Menschen, die weit von der Politik sind das Misstrauen zwischen beiden Ländern überhaupt nicht nachvollziehen können.

Liebich schlug einen Schritt für Schritt Abbau der Sanktionen analog zu Fortschritten bei der Einhaltung des Minsker Abkommens vor. Grundsätzlich halte er die Sanktionen für sinnlos, mit ihnen sei keine Wirkung zu erzielen. Dem widersprach Ide. Wenn der Handlungsspielraum begrenzt ist, bleibt nicht viel mehr als die Einführung von Sanktionen. Bei den Lesern des Tagesspiegels werde diese Frage kontrovers diskutiert.

Andreas Jopt (Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation in Deutschland) forderte eine Änderung der deutschen Strategie im Umgang mit Russland. Es sei notwendig, die russische Position stärker zu berücksichtigen. Man müsse von dem Begriff der Annexion der Krim wegkommen. Das lehnten Liebich und Ide ab.

Die Krim und die Ukraine

Liebich und Ide teilten die Auffassung, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig war. Dem widersprach Mikerin. In Kiew habe ein Putsch stattgefunden. Nachdem im Gewerkschaftshaus von Odessa 40 Menschen von Rechtsextremisten verbrannt worden sind, ist jedem klar geworden, warum Russland eingreifen musste, um seine Landsleute auf der Krim zu schützen. Tilman Wickert kritisierte, dass auf Grund dieser Begründung auch andere Länder mit einer kriegerischen Auseinandersetzung rechnen müssen. Russlands Ziel sei die Erweiterung der Eurasischen Wirtschaftsunion. Die Europäische Gemeinschaft sei aber für die Nachbarländer Russlands der attraktivere Partner. Mikerin wies das zurück und antwortete, dass freundschaftliche Beziehungen mit den Nachbarländern das Ziel russischer Außenpolitik sei.

Liebich ergänzte, dass es in der Vergangenheit zahlreiche Verstöße gegen das Völkerrecht gegeben habe. Dazu zähle der Einmarsch der Amerikaner in Grenada. Das gehöre zur Debatte dazu. Es mache aber keinen Sinn einen Verstoß gegen das Völkerrecht gegen einen anderen Verstoß aufzurechnen. Jopt gab zu bedenken, den Begriff Annexion immer ohne jeden Kommentar zu verwenden. Das Völkerrecht sei komplexer und müsse fortgeschrieben werden.

Der Fall Lisa und die sozialen Netzwerke

Der Fall Lisa hat im letzten Jahr die Berliner Öffentlichkeit in Atem gehalten und die deutsch-russischen Beziehungen belastet. Der russische Außenminister hatte sich zu dem Fall geäußert. Eine falsche Darstellung des Falls hat sich sehr schnell in den sozialen Medien verbreitet. Dabei waren viele Bot-Profile beteiligt. Mikerin erläuterte, dass der russische und der deutsche Außenminister den Fall gemeinsam sehr schnell für erledigt erklärt hätten. Es sei problematisch gewesen, dass die Ermittlungserkenntnisse zu spät veröffentlicht worden sind. Die Verbreitung von falschen Informationen in sozialen Medien gehe rasend schnell. Darum könne sich so ein Fall auch wiederholen. Ide machte deutlich, dass die Berichterstattung und Recherche zu dem Fall eine große Herausforderung für den Tagesspiegel gewesen sei.

AfD

Liebich kritisierte, dass Russland zwar rechtsextreme Tendenzen in der Ukraine scharf kritisiere, aber auf der anderen Seite enge Beziehungen zur AfD pflege. Mikerin antwortete, dass es notwendig sei, mit allen relevanten politischen Kräften eines Landes zu sprechen. Die AfD sei in mehreren deutschen Landesparlamenten vertreten. Das gelte selbstverständlich nicht für die NPD.

Minderheitenrechte

In Russland wurde eine Demonstration zum Christopher Street Day (CSD) nicht genehmigt. Mikerin erklärte, dass Demonstrationen in Russland möglich sind, wenn die erforderlichen Vorschriften erfüllt werden. Liebich kritisierte, dass die Werbung für nicht-traditionelle Familienmodelle in Russland untersagt ist.

Gute Beziehungen?

Das Reisen und persönliche Begegnungen von Bürgern für die deutsch-russischen Beziehungen förderlich sind, wurde an Hand der Erfahrungen der  Experten deutlich. Liebich ist bereits zu DDR-Zeiten in die UDSSR gereist und war danach immer wieder regelmäßig in Russland. Ide schilderte seine Erlebnisse beim Austausch mit russischen Journalisten. Auch heute würden etliche Lokaljournalisten einen guten Job machen und Missstände aufdecken. Organisationen – wie das Deutsch-Russische Forum – veranstalten solche Treffen. Mikerin hatte noch nicht so viel Gelegenheit Deutschland zu bereisen. Er hat das Land jedoch im Rahmen seines Studiums sehr gut kennengelernt. Im Gegensatz zu Liebich und Ide, die sich mit der russischen Sprache sehr schwer tun, spricht er perfekt deutsch. Sprache, Austausch und Begegnungen sind der Schlüssel für gute Beziehungen.

Matthias Bannas und Sabine Gilleßen

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer