Beim Berliner Pub Talk am 16. Juli drehte sich alles ums Thema Fernbusse. Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Energie und Mobilität bei der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Patrick Kurth, Leiter Politische Beziehungen bei MeinFernbus Flixbus, standen dem Publikum Rede und Antwort. Die Veranstaltung wurde von Dr. Felix Hardach moderiert.

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In der Diskussion / von links: Marion Jungbluth (vzbv), Dr. Felix Hardach und Patrick Kurth (MeinFernbus Flixbus) – Foto Andrea Tschammer

Der Fernbusmarkt

16 Millionen Fahrgäste verzeichneten die Fernbusse in Deutschland im Jahr 2014. Das ist beachtlich, denn der Markt ist erst 2013 geöffnet worden. Die niedrigen Preise kommen insbesondere Kunden mit geringem Zahlungsvermögen entgegen. Einen Mehrwert bieten zudem viele neue Direktverbindungen zwischen Städten und Regionen. Jungbluth betonte, dass es für die Verbraucher gut sei, dass ein neues Angebot im Fernverkehr den etablierten Verkehrsanbietern Beine macht.

Fernbusse haben aber nur einen kleinen Anteil am Verkehrsmarkt. Die Deutsche Bahn beförderte 2014 im gesamten Schienenpersonenverkehr 2,03 Milliarden Fahrgäste und damit 14 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Das spricht nicht für einen Verdrängungswettbewerb zwischen Bus und Bahn. MeinFernbus FlixBus ist mit 76 Prozent Marktanteil der Marktführer in Deutschland, erklärte Kurth. Der Fernbusmarkt sei stark umkämpft. Es gebe viele mittelständische Anbieter, die sich auf einzelne Strecken beschränken. Mit der Deutschen Bahn und der Deutschen Post sind aber zwei Akteure im Markt, die in anderen Geschäftsfeldern erhebliche Einkünfte erzielen und hohe Subventionen erhielten. MeinFernbus FlixBus erhalte keine Subventionen. Jungbluth wies darauf hin, dass die Deutsche Bahn Subventionen erhalte, weil sie Leistungen der Daseinsvorsorge erbringe.

Das Geschäftsmodell

MeinFernbus FlixBus bietet mit Strecken- und Linienplanung, Betriebssteuerung, Preismanagement oder Marketing die Dachorganisation, fast 200 mittelständische Busunternehmen übernehmen die Ausführung der Beförderungsleistung. Dies rechne sich, weil nicht nur der einzelne Ticketpreis entscheidend ist, sondern die Zahl der Sitzplätze pro gesamter Linie, also auch aller Zwischenhalte, erklärte Kurth. MeinFernbus FlixBus sei der Konkurrenz bei Haltepunkten und bei der Frequenz voraus. Ein reiner Preiswettbewerb mache keinen Sinn. Jungbluth kritisierte, dass das Unternehmen damit auch Verantwortung abgeben würde.

Maut für Fernbusse?

Jungbluth forderte eine Maut für Fernbusse, um diese an den Kosten für die Straßen zu beteiligen und um einen fairen Wettbewerb mit der Bahn zu gewährleisten. Schließlich müssen die Bahnverkehrsanbieter auch für die Trassennutzung zahlen. Kurth wies darauf hin, dass Personenverkehr in Deutschland grundsätzlich von Maut nicht betroffen sei. Auch das Regierungsvorhaben sei weiter weg, als manche glaubten. Höhere Ticketpreise würden Sozialschwache treffen. Matthias Schröter (Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer bdo) ergänzte, dass die Deutsche Bahn zwar für die Nutzung ihres eigenen Netzes – an sich selber – zahle, dieses dafür aber auch ohne Staus nutzen könne. Hinzu käme, dass sie ihre Hoheit über das Netz auch zur Diskriminierung der Privatbahnen ausnutzen könne.

Fahrgastrechte

Peter Cornelius (Fahrgastverband Pro Bahn) kritisierte den Umgang der Fernbusbranche mit Kundenbeschwerden. Jungbluth erläuterte, dass es  Hinweise gäbe, dass Fernbusunternehmen nicht oder verzögert auf Kundenbeschwerden reagieren würden. Sie forderte eine Anpassung der Entschädigungen von Bahn- und Fernbuskunden um die Wettbewerbsbedingungen fairer zu gestalten. Zumindest müsste die Regelung für höhere Gewalt bei allen Verkehrsträgern einheitlich sein. Kurth warb um Verständnis dafür, dass in einer jungen Branche und einem jungen Unternehmen natürlich auch Fehler passieren. Fahrgastrechte seien stark reguliert und durch das Eisenbahnbundesamt kontrolliert. Auf Kundenbeschwerden entschieden bei MeinFernbus FlixBus die zuständigen Mitarbeiter direkt und kulant. Im Gegensatz zur Deutschen Bahn sei die Schriftform bei Anträgen auf Fahrtkostenerstattung nicht erforderlich. Eine Anpassung der Entschädigungsregelungen an die gesetzlichen Regeln, die für die Deutsche Bahn gelten, lehnte er ab. Schließlich haben die Fernbusse keine Hoheit über die Verkehrswege.

Barrierefreiheit

Europa ist auf dem Weg in die Barrierefreiheit. In den nächsten 15 Jahren soll das Ziel erreicht sein. Allerdings sind Verpflichtungen für Bauten und für den Verkehr uneinheitlich. Fernbusse müssen ab Januar 2016 und damit viel früher barrierefrei sein als der öffentliche Nahverkehr. Diese uneinheitliche Regelung wurde von Kurth und Schröter kritisiert. Sinnvoller sei es, die Verpflichtungen anzupassen. Das gelte auch für die – oft nicht barrierefreien – Haltestellen. Den Betroffenen sei mit einem barrierefreien Bus nicht geholfen, wenn die Haltestellen nicht auch barrierefrei seien. Jungbluth sprach sich gegen eine Verschiebung des Stichtags aus, schließlich gelte die Regel auch für die Bahn. Für die Betroffenen bedeuten barrierefreie Angebote mehr Mobilität.

Personenkontrollen

Kurth schilderte, dass Fernbusse immer stärker mit flächendeckenden Personenkontrollen der Bundespolizei konfrontiert seien. Diese seien im Schengen-Raum überhaupt nicht zulässig. Dabei würde Druck von der Polizei auf die Busfahrer ausgeübt. Unter anderem sei Busfahrern angedroht worden, dass sie Strafzahlungen entrichten müssen, wenn Illegale Einwanderer in ihren Bussen aufgegriffen werden sollten. Solche Strafzahlungen sehe das Gesetz aber überhaupt nicht vor. Auch die Forderung der Polizei, Busfahrer sollten Pässe, Visa und Aufenthaltsberechtigungen kontrollieren, sei nicht machbar und rechtlich nicht durchsetzbar. Es gäbe auch über Nacht Kontrollen, bei denen die schlafenden Fahrgäste geweckt werden. Obwohl es sich um Einzelfälle handele, sei das für die Unternehmen extrem ärgerlich, da die Fahrgäste mit einer schlechten Erfahrung aus dem Bus aussteigen.

Matthias Bannas und Felix Hardach

 

Impressionen der Veranstaltung / alle Fotos von Andrea Tschammer

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