Europäische Gesetze erhalten in Deutschland oft erst dann breite öffentliche Aufmerksamkeit, wenn sie in Kraft treten. Was kann getan werden, damit Debatten zu europäischen Gesetzesvorschlägen bereits dann stattfinden, wenn Änderungen noch möglich sind? Darüber diskutierten Reinhard Hönighaus, Sprecher der Europäischen Kommission in Deutschland und Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch, Leiter Recht & Regulierung bei game – Verband der deutschen Games-Branche e.V., beim Berliner Pub Talk am 28. Juni. Moderiert hat Matthias Bannas.

Diskussion über Europa. Von links- Reinhard Hönighaus, Matthias Bannas, Prof. Dr. Christian-Henner Hentsch

Europäische Gesetzgebung – Beispiel DSGVO

Europäische Gesetze (Richtlinien, Verordnungen) werden von der Europäischen Kommission entworfen. Im Anschluss werden sie vom Ministerrat, in dem die zuständigen Fachminister der Mitgliedsstaaten vertreten sind, dem Europäischen Parlament und der Kommission beraten. Damit ein Gesetz verabschiedet werden kann, müssen Ministerrat und Parlament zustimmen. Während Richtlinien den Mitgliedsländern Spielraum bei der nationalen Umsetzung eröffnen, stellen Verordnungen unmittelbar geltendes Recht da.

Zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) lag der Entwurf bereits im Jahr 2012 vor. Bis zur Verabschiedung konnten Bürger und interessierte Organisationen im Rahmen von öffentlichen Konsultationsverfahren Stellung nehmen. Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Jan Philipp Albrecht, und alle anderen Abgeordneten der zuständigen Ausschüsse standen der europäischen Öffentlichkeit während des Gesetzgebungsprozesses für Gespräche zur DSGVO zur Verfügung. Die Bundesregierung hat die Verordnung fristgemäß in deutsches Recht umgesetzt.

Kommunikation und Interessenvertretung

Wer die aktuelle Debatte zur DSGVO in Deutschland verfolgt, spürt bei vielen Vereinen und kleinen Unternehmen Verunsicherung. Ist diese Verunsicherung auf Grund drohender Sanktionen bei Verstößen gerechtfertigt? Hönighaus wies darauf hin, dass die zuständigen Landesdatenschutzbehörden, Vereine und Unternehmen nicht bereits bei den ersten Verstößen mit hohen Strafen belegen werden. Ein mögliches Problem seien Abmahnungen. Hier habe aber die Bundesregierung angekündigt, tätig werden zu wollen. Über das Thema DSGVO werde bereits seit Jahren sehr intensiv von vielen Medien berichtet. Er hätte auch kleinen Medien Interviews mit Kommissaren angeboten, um die breite Öffentlichkeit mit dem Thema zu erreichen. Eine wichtige Rolle für die Kommunikation mit kleinen und mittleren Unternehmen spielen die Verbänden und Kammern. Viele dieser Organisationen hätten sehr gut informiert. Hentsch ergänzte, dass sich der game-Verband seit Jahren mit dem Thema beschäftigt und seine Mitglieder hierzu intensiv informiert. Das Problem seien kleine Vereine. Diese seien anscheinend nicht gut genug erreicht worden. Teilnehmer aus dem Publikum wiesen darauf hin, dass die hohen Strafen bei Verstößen in der Verordnung aufgeführt seien. Das sei geltendes Recht. Daran ändere auch eine bessere Kommunikation nichts.

Hentsch machte deutlich, dass er immer gute Erfahrungen mit der Interessenvertretung bei europapolitischen Anliegen gemacht habe. Die Anliegen des Verbandes konnten immer mit der Kommission und dem Parlament diskutiert werden. Wichtig sei die Zusammenarbeit mit dem europäischen Dachverband der Branche.        

Vertiefung und Subsidiarität

Brauchen wir mehr einheitliche europäische Regeln? Hentsch beantwortete diese Frage aus der Sicht eines Verbandes der Digitalwirtschaft mit ja. Für europaweit tätige Unternehmen sei es sehr teuer, ihre Produkte und Dienstleistungen an das jeweils unterschiedliche Recht jedes einzelnen EU-Staates anzupassen. Einheitliche gesetzliche Regelungen, auch wenn diese streng seien, würden insgesamt viel geringere Kosten verursachen. Nur so könne der Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA ausgeglichen werden.

Das Thema Subsidiarität war strittig. Hönighaus wies darauf hin, dass Subsidiarität bedeutet, dass ein Sachverhalt EU-weit reguliert werden sollte, wenn er so am sinnvollsten reguliert werden könne. Das gelte für die DSGVO. Nur mit einer einheitlichen Regulierung konnte verhindert werden, dass sich die großen außereuropäischen datengetriebenen Unternehmen weiterhin immer in den Ländern mit dem niedrigsten Datenschutzniveau niederlassen, um dann europaweit tätig zu werden. Ein Teilnehmer vertrat die Auffassung, dass Subsidiarität voraussetze, dass die Regulierung auf der möglichst niedrigsten Ebene erfolgt. Darum hätte der Datenschutz in  Deutschland geregelt werden müssen. Ein Beispiel dafür, dass dieses funktioniere, sei das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in dem ebenfalls hohe Bußgelder für Verstöße von großen Unternehmen fällig werden.

Matthias Bannas