Nahezu zwei Drittel der Deutschen sind der Meinung, dass soziale Gerechtigkeit wichtiger ist als persönliche Freiheit. Am 23. September diskutierten Sebastian Koch, Landesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE (Berlin) und Helmut Metzner, Leiter der Landesgeschäftsstelle und Pressesprecher der FDP Berlin, beim Berliner Pub Talk über das Thema. Dr. Robert Grimm, Leiter der Ipsos Sozial- und Politikforschung, übernahm die Moderation und führte anhand einer aktuellen Ipsos-Studie, in der die Einstellungen von Befragten aus 20 Ländern zu dem Thema verglichen werden, in den Abend ein.

Von links. Helmut Metzner, Dr. Robert Grimm und Sebastian Koch

„Wir Deutschen haben eine positive Einschätzung, wenn es um die wirtschaftliche Lage ihres Landes geht. Wir sorgen uns weniger um Arbeitslosigkeit als die Menschen vieler anderer europäischer Nationen. Dafür ist soziale Ungleichheit unsere größte Sorge und wir fühlen uns gespaltener als noch vor 10 Jahren“, so Grimm.

Soziale Gerechtigkeit

„Sozial gerecht ist eine Gesellschaft, wenn sie frei von Angst und Ausbeutung ist“, erklärte Koch. Metzner entgegnete, dass der Begriff „soziale Gerechtigkeit“ viel Raum für Fantasie lasse. Das sei nicht konkret. In der Politik gehe es immer um die Lösung konkreter Probleme. Im Gegensatz zu sozialer Gerechtigkeit habe der Begriff Freiheit viel weniger Tradition. Jeder Mensch mache Erfahrungen mit fehlender sozialer Gerechtigkeit, antwortete Koch.

Beispiel Wohnungsmarkt

Beim Thema Wohnen versage der Markt, so Koch. Wohnen sei Teil der Daseinsvorsorge und sollte nicht privatwirtschaftlich bzw.  profitorientiert organisiert werden. In Berlin packe der Senat das Problem des Wohnungsmangels an, indem er gegen Spekulation vorgehe. Eine Maßnahme, die zum Einsatz komme, sei die Ausübung des Vorkaufrechts. Es sei wichtig, neben dem Neubau zu bezahlbaren Mieten auch die Bestandsmieter zu schützen und Mietsteigerungen zu begrenzen. Metzner antwortete, dass es überhaupt keinen richtigen Wohnungsmarkt in Berlin gebe. Das Angebot werde künstlich verknappt. Das geschehe, indem zum Beispiel Dachgeschossausbauten nur sehr zögerlich genehmigt werden. Alleine mit dem Dachgeschossausbau könnten 50.000 zusätzliche Wohnungen in Berlin entstehen. Es könne nicht nur um Bestandsmieter gehen. Wer neu dazukommt, müsse auch eine Chance haben, eine Wohnung zu finden. Dafür müsse mehr gebaut werden.

Kapitalismus / Kommunismus

Es gibt in Deutschland keinen Kapitalismus, so Metzner. Deutschland sei ein ordoliberales System beziehungsweise eine soziale Marktwirtschaft. Im Zentrum liberaler Politik stehe der Anreiz mehr Kuchen zu backen. Die Marktwirtschaft sei eine Wohlstandsmaschine. Erst im nächsten Schritt könne die Frage beantwortet werden, wie der Kuchen verteilt werden sollte. Auf die Frage was nach dem Kapitalismus folge, antwortete Koch: „Vielleicht doch der Kommunismus.“. Es gebe einfach viele Beispiele für Märkte, die überhaupt nicht funktionieren und damit die Bedürfnisse der Menschen unter der privaten Profitlogik leiden. Das spreche für öffentlich organisierte Lösungen.

Matthias Bannas und Dr. Robert Grimm