Die Bundesregierung plant ein neues Prostitutionsgesetz. Ziel ist es, Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland einzudämmen. Hierzu haben die in ihrer Fraktion zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel MdB und Hydra-Vorstand Karolina Leppert mit dem Publikum beim Berliner Pub Talk diskutiert. Moderiert hat Matthias Bannas.

Von links: Karolin Leppert, Matthias Bannas und Sylvia Pantel MdB

Von links: Karolin Leppert, Matthias Bannas und Sylvia Pantel MdB

Zwangsprostitution – Bestandsaufnahme

Wie hoch der Anteil der Zwangsprostitution in Deutschland ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Frau Pantel verwies auf ihre Gespräche mit Sachverständigen aus Polizei, Justiz und Beratungsstellen. Demnach arbeiten nur zehn Prozent der Prostituierten in Deutschland selbstbestimmt und freiwillig. In Düsseldorf und Berlin hat sie mit mehreren Prostituierten gesprochen, die massive Gewalt erlebt haben, Schläge und Verbrennungen von Zigaretten auf den Händen. Gerhard Schönborn, der mit der Beratungsstelle Neustart e.V. Prostituierte aus der Kurfürstenstraße berät, bestätigte, dass viele Prostituierte dort unter Zwang stünden. Zuhälter hätten die Kontrolle über einen Großteil der osteuropäischen Prostituierten, die dort arbeiten. Und die Kurfürstenstraße dürfe nicht isoliert gesehen werden. In den Bordellen seien die Abhängigkeiten der Frauen aus den osteuropäischen Ländern ähnlich. Frau Leppert widersprach der Auffassung, dass der Anteil der Zwangsprostitution bei 90 Prozent liegt. Es liegen keine belastbaren Studien vor. Die Kurfürstenstraße mache auch nur einen ganz geringen Teil der Prostitution in Berlin aus. Dennoch werden die Verhältnisse in der Kurfürstenstraße immer auf die Arbeit aller Prostituierten in Berlin übertragen. Bei der geschilderten Gewalt gegenüber Frauen handele es sich um Rechtsverstöße. Hier bestehe ein Vollzugsdefizit von Seiten der Polizei. Aus der Sicht von Frau Pantel liegt die Ursache für den geringen Spielraum der Polizei an einer fehlenden Rechtsgrundlage. Das würde sich mit dem geplanten Gesetz verbessern.

Prostitution als normale Tätigkeit

Frau Leppert warnte gemeinsam mit der Bordellbetreiberin Felicitas Schirow (Cafe Pssst!) vor den Folgen des geplanten Gesetzes. Viele Frauen, die ohne fremden Zwang ihren eigenen Weg gefunden hätten, als Prostituierte zu arbeiten, würden in die Illegalität gedrängt. Frau Pantel entgegnete, dass die geplanten gesetzlichen Regelungen der Prostitution einen klaren Regulierungsrahmen geben würden, der auch für andere selbständige Tätigkeiten ganz normal sei. Sie sei selber als selbständige Unternehmerin tätig gewesen und hätte sich auch beim Gewerbeamt registrieren lassen müssen, Sozialversicherungsabgaben abgeführt, Steuern gezahlt und vieles mehr.

Zwang zur Gesundheitsuntersuchung und Registrierung?

Die Bundesregierung plant unter anderem eine Registrierungspflicht und regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte. Das würde laut Pantel Zwangsprostitution deutlich erschweren und der Polizei eine Handhabe zur Strafverfolgung geben. Bei der Polizei und den Gesundheitsämtern seien auch die Daten der Prostituierten sicher, erklärte die Politikerin. Dieses Vertrauen konnte Frau Leppert nicht teilen. Vor dem Hintergrund der Stigmatisierung der Prostitution würden diese Regelungen zu einer Verlagerung in die Illegalität führen. Dann könnten die Frauen viel schlechter beraten und geschützt werden. Frau Schirow ergänzte, dass eine Zwangsgesundheitsuntersuchung diskriminierend sei. Sie würde das nicht mitmachen. Ob Prostituierte besonders anfällig für sexuell übertragbare Krankheiten seien, war strittig. Frau Pantel und Herrn Schönborn wiesen auf den schlechten Zugang zu Medikamenten und medizinischer Versorgung für Prostituierte ohne Krankenversicherung hin. Frau Leppert erklärte, dass Prostituierte nicht stärker von sexuell übertragbaren Krankheiten betroffen seien als der Rest der Gesellschaft. Hierzu lägen Studien vor. 

Besteuerung

Die Registrierung würde auch dazu führen, dass eine Besteuerung der Prostitution in Zukunft einfacher sei. Der Bundesrechnungshof hatte Defizite bei der Besteuerung gerügt, da es keine einheitliche Regelung zur Besteuerung der Prostitution gibt. Das sei aber nicht das Hauptmotiv für die Gesetzesinitiative erklärte Frau Pantel auf Fragen aus dem Publikum. Frau Leppert wies darauf hin, dass Prostituierte bereits heute nach dem „Düsseldorfer Modell“ besteuert werden. Herr Schönborn erklärte, dass selbst die Prostituierten auf der Kurfürstenstraße eine Steuernummer von der zuständigen Behörde erhalten würden. Frau Pantel ergänzte, dass die Steuernummern oft verloren gehen und das Düsseldorfer Modell auch nur ein Vorsteuer-Modell ist und keine Steuererklärung ersetzt.

Das schwedische Modell

Frau Pantel machte deutlich, dass die Bundesregierung eine Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten plane. Eine Regelung vergleichbar dem schwedischen Gesetz, wo nicht die Prostitution verboten ist, sondern ausschließlich der Kauf von sexuellen Dienstleistungen und deshalb nur Freier strafrechtlich verfolgt werden können, sei nicht vorgesehen. Das wurde aus dem Publikum kritisiert. Die schwedische Regelung sei erfolgreich und von anderen Ländern übernommen worden. Frau Leppert entgegnete, dass auch in Schweden Prostitution immer noch an der Tagesordnung sei, nur eben illegal und ohne Schutz und Beratung für die Frauen. Das wurde von einem Teilnehmer aus dem Publikum aus eigener Erfahrung bestätigt.

Fazit

Der Forderung von Frau Pantel und Angela Fischer (Netzwerk „Gemeinsam gegen Menschenhandel“, Heilsarmee) aus Solidarität mit den Zwangsprostituierten die geplanten Regelungen zur Gesundheitsuntersuchung und Registrierung zu unterstützen, stimmte Frau Leppert nicht zu.

Sinnvoller sei es, die Beratungsangebote für Frauen zu stärken. Hydra e.V. biete zum Beispiel auch eine Einstiegsberatung an. Das führe dazu, dass viele Frauen von der Prostitution Abstand nehmen würden, weil ihnen bewusst wird, dass sie den Belastungen nicht gewachsen sind. Frau Pantel machte noch einmal deutlich, dass sie von der Wirksamkeit der Gesetzesinitiative überzeugt sei und dass eine Einigung mit dem Koalitionspartner in Aussicht ist. 

Matthias Bannas  und Alexander Schröder / alle Fotos Andrea Tschammer

Twitter @matthiasbannas

Erstveröffentlichung in der Pankower Allgemeinen Zeitung

Akutelles zum Thema Menschenhandel findet Ihr in diesem Artikel vom VFR-Verlag für Rechtsjournalismus.

Impressionen

_MG_2520neu

_MG_2481neuvariante

_MG_2542neu