Frauen verdienen durchschnittlich, auf die gesamte Wirtschaft betrachtet, weniger als Männer. Die Bundesregierung will mit einem Lohngerechtigkeitsgesetz gegensteuern. Hierzu diskutierten Birgit Kömpel MdB, Mitglied im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Christina Ramb, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Antje Sirleschtov, Leiterin der Hauptstadtredaktion des Tagesspiegels, beim Berliner Pub Talk am 24. November 2016. Moderiert hat Manuela Stamm.

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Teilnehmerinnen von links: Birgit Kömpel MdB, Moderatorin Manuela Stamm, Christina Ramb (BDA) und Antje Sirleschtov (Tagesspiegel)

Lohnlücke / Gender Pay Gap

Das Statistische Bundesamt ermittelt seit Jahren die Lohnlücke (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen. Diese Lohnlücke beträgt 21 Prozent. Zur Ermittlung werden die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste aller vorliegenden Daten von Männern und Frauen herangezogen, mit Ausnahme der Landwirtschaft, der Fischerei, der öffentlichen Verwaltung und der privaten Haushalte.

Für einen Teil dieser Lohnlücke liegen dem Statistischen Bundesamt messbare Ursachen vor. Das sind die unterschiedlichen Branchen und Berufe, in denen Frauen und Männer tätig sind, unterschiedlich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation, ein niedrigeres Dienstalter und ein geringerer Beschäftigungsumfang. Diese Ursachen herausgerechnet, bleibt eine bereinigte Lohnlücke von sieben Prozent. Das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bezieht in seine Studie zum Gender Pay Gap noch familienbedingte Auszeiten mit ein. Dann ergibt sich ein durchschnittlicher Entgeltunterschied von rund zwei Prozent.

Das Lohngerechtigkeitsgesetz

Mit dem Lohngerechtigkeitsgesetz soll die Lohnlücke verringert werden. Frauen sollen in Unternehmen mit mindestens 200 Beschäftigten einen Auskunftsanspruch erhalten, wenn sie der Auffassung sind, dass ihre männlichen Kollegen, die einer gleichen oder vergleichbaren Tätigkeit nachgehen, mehr verdienen. Dafür muss der Arbeitgeber aus einer Vergleichsgruppe von mindestens sechs männlichen Kollegen den Median der Gehälter bilden. Liegt die Frau mit ihrem Gehalt drunter, hat sie die Möglichkeit nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu klagen. Unternehmen, die einen Betriebsrat haben oder einem Tarifvertrag unterliegen, haben es bei dem Auskunftsanspruch einfacher. Hier geht die Anfrage an den Betriebsrat und die Entgeltgruppen aus dem Tarifvertrag können zur Überprüfung der Anfrage herangezogen werden. Insgesamt betrifft das Gesetz 14 Millionen Arbeitnehmer. Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten müssen zudem jährlich einen Bericht zur Lohngerechtigkeit erstellen und sind zu umfangreichen Prüfverfahren aufgefordert.

Sirleschtov warnte, dass das Gesetz nicht das einhalte, was mit dem Titel versprochen werde. Das könne die Politikverdrossenheit fördern. Es sei vielmehr ein Gesetz zur Auskunft, das im Anschluss eine Klagemöglichkeit eröffne – mehr nicht. Im öffentlichen Dienst gäbe es übrigens schon immer Lohntransparenz. Dennoch arbeiten auch dort mehr Frauen auf den schlechter bezahlten Arbeitsplätzen. Kömpel antwortete, dass es entscheidend sei, endlich einen Fuß in die Tür zu bekommen. Es sei gelungen, die Gültigkeit ab 200 Beschäftigten im Koalitionsausschuss durchzusetzen. Damit werde es in Zukunft mehr Transparenz geben. Das werde mittelfristig ein Umdenken auslösen, wie das auch bei der Frauenquote für Aufsichtsräte gewesen sei. Ramb kritisierte die Bürokratiebelastung für die Unternehmen in Folge des Gesetzes. Die Schätzung des Bundesfamilienministeriums (ca. zwei Millionen Euro pro Jahr für alle betroffenen Unternehmen) sei viel zu niedrig angesetzt.  Das sei besonders ärgerlich, weil das Gesetz in der Praxis nichts bewirken werde. Die Ursache für die Lohnlücke sei nicht die flächendeckende Diskriminierung durch Arbeitgeber. Frauen können bereits heute bei Diskriminierung klagen. Viel zielführender sei es, über Maßnahmen zu diskutieren, die auch wirklich zu besseren Karrierechancen für Frauen führen.

… und, was können wir tun?

Hindernisse für mehr Erwerbstätigkeit von Frauen und damit mehr Lohngleichheit seien zum Beispiel das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung von Frauen in der Kranken- und Pflegeversicherung, machte Ramb deutlich. Frauen hätten Entscheidungsspielraum, um die eigenen Karrierechancen zu verbessern, zum Beispiel bei der Frage, wer am Abend auf die Kinder aufpasst und wer sich zum Networking mit Kollegen trifft. Ein Grund warum in vielen frauendominierten Berufen schlechter bezahlt werde, sei das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Sirleschtov wies darauf hin, dass sich hier gerade etwas ändere, zum Beispiel bei Erziehern, von denen es viel zu wenig gebe. Nora Fasse (BDA) machte deutlich, dass es wichtig sei, Frauen noch besser für die Verdienstchancen bei der Berufswahl zu sensibilisieren. Kömpel ergänzte, dass es für MINT-Berufe bereits 500 Projekte genau hierfür gebe.

Auch bei einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Jobsharing und Führung in Teilzeit bestehe noch Spielraum, erklärte Kömpel. Das funktioniere auch im Kleinen. So sei die Leitung ihres Bundestagsbüros in Teilzeit organisiert. Man müsse endlich von der Präsenzkultur wegkommen. Ramb antwortete, dass es auf der Website des Bundesfamilienministeriums zahlreiche Best-Practice-Beispiele von Unternehmen gebe, die Vereinbarkeit sehr gut organisieren. Führung in Teilzeit funktioniere bei einigen Unternehmen sehr gut, sei aber auf Grund des erhöhten Abstimmungsbedarfes der Führungskräfte, die sich eine Stelle teilen, sehr aufwändig.

Dem Vorschlag aus dem Publikum Startups von Frauen gezielt zu fördern, erteilte Sirleschtov eine Absage. Wenn überall Quoten eingezogen werden, finde sie das nicht gut. Kömpel antwortete, dass viele Frauen zwar aus der Not heraus ein Unternehmen gründen, sie aber dennoch oft erfolgreich seien. Auch sie habe sich als Headhunterin selbständig gemacht und sei damit erfolgreich gewesen. Ramb ergänzte, dass Förderung bei der Unternehmensgründung individuell sein müsse. Damit sei es möglich, die Bedürfnisse von Gründerinnen zu berücksichtigen.

Fazit

Die Unternehmen werden mit dem Lohngerechtigkeitsgesetz – wenn es denn kommt – umgehen müssen, so Ramb. Ob es aber in der Sache etwas bringt, bezweifele sie. Kömpel wies darauf hin, dass während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens die öffentliche Debatte eine wichtige Rolle spielen wird. Es gebe viele Organisationen, die dieses Gesetz aktiv unterstützen. Sirleschtov machte deutlich, dass es sowohl Ihre Aufgabe aber auch die des Tagesspiegels sei, an gesellschaftlichen Debatten teilzunehmen. Das gelte auch für dieses Gesetz. Der Tagesspiegel sieht sich als Plattform für politische Auseinandersetzungen, der mit seiner Berichterstattung für Transparenz sorgen will.

Matthias Bannas und Manuela Stamm

 

Impressionen der Veranstaltung: Fotos von Matthias Bannas

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