„Was tun gegen Rechtsextremismus?“ diskutierten Marco Wanderwitz MdB, Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Chemnitzer Umland/Erzgebirgskreis II und Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, mit Özcan Mutlu MdB, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Berlin-Mitte und Sprecher für Sport- und Bildungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, und Matthias Meisner, Redakteur des Tagesspiegels und Mitherausgeber von „Unter Sachsen: Zwischen Wut und Willkommen“, beim Berliner Pub Talk. Moderiert hat Jana Faus, Geschäftsführerin von pollytix strategic research. Die Veranstaltung wurde zusammen mit sitzungswoche – dem unabhängigen Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien – organisiert.
Warum Sachsen?
Sachsen hat ein Problem mit einem „flächendeckend verbreiteten“ Rechtsextremismus. Das wird im Bericht des sächsischen Verfassungsschutzes für das 2016 deutlich. Die einschlägigen Straftaten sind im letzten Jahr auf 2380 gestiegen und damit auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren. Jeder zwölfte bundesweit auffällige Neonazi lebt in Sachsen. In das Bild passt, dass die Pegida-Bewegung nicht nur in Dresden entstanden ist, sondern dort auch immer noch erfolgreich ist und aktuell den Schulterschluss mit der AfD sucht.
Meisner kritisierte, dass sich die CDU lange nicht gegen rechtsextreme Tendenzen in Sachsen gestellt hat. Das stellte Wanderwitz nicht in Abrede. Die CDU-Sachsen sei lange nicht ausreichend „in die Bütt“ gegangen. Nach der Wende an den Sachsenstolz zu appellieren, sei gut gewesen, hätte aber auch seine Schattenseiten gehabt. Man hätte deutlich früher, deutlich mehr gegen Rechtsextremismus tun müssen. Hinzu kämen noch weitere Ursachen. 1990 seien alle Ostblockstaaten relativ homogene Gesellschaften gewesen. Der Umbruch hin zu einer Marktwirtschaft sei für viele ehemalige DDR-Bürger eine schwierige Zeit gewesen. Sie sind in einer Diktatur groß geworden. Der Anteil an Christen ist sehr gering, damit fallen die Kirchen als Wertevermittler weg. Wanderwitz machte aber auch deutlich, nur auf Sachsen zu zeigen, sei nicht fair, die AfD sei bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern viel erfolgreicher gewesen. Mutlu pflichtete dem bei. Im Osten fehlten die Erfahrungen mit Ausländern. Vor einigen Jahren wäre das auch noch in einigen Berliner Bezirken wie Marzahn der Fall gewesen. Er hätte für eine Schulklasse einen Ausflug nach Kreuzberg organisiert. Das hätte über die Erkenntnis hinaus, dass es in Kreuzberg besseren Döner gibt, zu mehr Verständnis bei den Schülern für andere Kulturen geführt.
Was tun?
Ein Schlüssel sei die Begegnung von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Das müsse aber nicht nur organisiert, sondern auch ausreichend finanziert werden, forderte Mutlu. Hinzu käme eine Verbesserung der interkulturellen Bildung an den Schulen. Hierfür müssen die Lehrer weitergebildet werden. Außerdem müssten Jugendfreizeiteinrichtungen besser ausgestattet werden.
Wanderwitz schloss sich diesen Forderungen an. Bei den Jugendfreizeiteinrichtungen sei es entscheidend, nicht die Böcke zu Gärtnern zu machen und rechtsextreme Jugendeinrichtungen mit öffentlichen Geldern zu fördern. Ihm sei das Gespräch mit Bürgern besonders wichtig, die zwar sehr kritisch gegenüber der Politik der Bundesregierung eingestellt seien, aber seine Meinung zumindest akzeptieren würden. Politiker geraten immer dann unter Druck, wenn sie offensichtlich vorhandene Missstände nicht deutlich ansprechen. Zum Beispiel gäbe es bereits seit längerem in Chemnitz ein Problem mit kriminellen Tunesiern. Das hätte Sachsens Ministerpräsident Tillich auch mehrfach sehr deutlich gesagt.
Meisner betonte, dass Übertreibungen nicht akzeptabel seien, wenn einzelne Bevölkerungsgruppen kritisiert werden. Dieses sei bei Tillich häufiger der Fall gewesen. Aus seiner Sicht ist die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien wichtig, um Rechtsextremismus effektiv zu bekämpfen. Das hätte zum Beispiel besonders gut beim NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages geklappt. Meisner machte deutlich, dass er es sehr schätze, dass sich Marco Wanderwitz der Diskussion zum Thema Rechtsextremismus immer stellt. Das sei nicht selbstverständlich.
Und die AfD?
Es werde keine Koalitionen der CDU mit der AfD geben, machte Wanderwitz deutlich. In der AfD Sachsen lasse sich beobachten, dass viele Mitglieder der Partei deutlich radikaler seien, als deren Abgeordnete im Parlament. Für die AfD gelte: „Die ganz Truppe ist im Angebot, mit allem was dazugehört“, so Wanderwitz. Mutlu ergänzte, dass die Übergänge von der AfD zu den Rechtsradikalen fließend seien. Ein Mitarbeiter eines Berliner Abgeordneten marschiere zum Beispiel mit der Identitären Bewegung (IB). Es sei nicht hinnehmbar, dass jemand wie Björn Höcke immer noch Beamter sei und als Geschichtslehrer in Zukunft erneut unterrichten könne.
Rechtsextremismus und Linksextremismus
Es war Konsens auf dem Podium, dass es nicht sinnvoll sei, wenn es über die Bekämpfung von Rechtsextremismus diskutiert wird, immer auch den Linksextremismus ins Feld zu führen. Diese Einschätzung wurde auch von Wanderwitz geteilt. Er kritisierte allerdings, die Bekämpfung von Rechtsextremismus durch linksextremistische Organisationen zu finanzieren, wie das zurzeit der Fall sei.
Rassismus
Eine Teilnehmerin wies darauf hin, dass Erfahrungen mit Rassismus für Menschen mit einem nichtdeutschen Hintergrund sehr weit verbreitet sind. Hier ist das Engagement aller Bürger gefragt.
Matthias Bannas und Jana Faus